Elias Mossialos: „Leute müssen länger gesund bleiben – sonst explodieren Kosten“

PK 'SOZIALVERSICHERUNGSSTUDIE': MOSSIALOS
PK 'SOZIALVERSICHERUNGSSTUDIE': MOSSIALOSAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der Studienautor warnt vor einer „Revolution“ und empfiehlt garantiertes Einkommen für Landärzte.

Wien. Für Studienautor Elias Mossialos, Direktor an der London School of Economics, ist es die „wichtigste Botschaft“ an die Österreicher und die Politiker überhaupt. Die Bevölkerung müsse bei steigender Lebenserwartung möglichst lange gesund sein. Denn wie sich auch im internationalen Vergleich zeige, steigen die Ausgaben, je früher die Menschen krank werden. Da hat gerade Österreich Verbesserungsmöglichkeiten. „Sie müssen sicherstellen, dass die Leute gesünder bleiben und dass die Österreicher länger und gesünder leben“, gab der Experte aus Anlass der Präsentation der lange erwarteten Effizienzstudie zur Sozialversicherung in Wien Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner und Sozialminister Alois Stöger (beide SPÖ) mit auf den Weg. Denn sonst würden die Kosten für das Gesundheitssystem „explodieren“.

Der Grund dafür ist, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem sich Krankheiten zu häufen beginnen, die Ausgaben der Krankenversicherung deutlich emporschnellen. In Österreich ist dieser Zeitpunkt im Schnitt nach 59 „gesunden“ Jahren erreicht. Besonders gern hörten die beiden SPÖ-Ressortchefs freilich, dass die Österreicher grundsätzlich mit ihrem Gesundheitssystem zufriedener sind als Menschen in anderen Ländern. Aber auch die Aussage von Mossialos, er sei „nicht für eine Revolution“, sondern dafür, vorsichtig Veränderungen vorzunehmen, ging bei den beiden Ministern runter wie Honig.

„Es gibt nicht eine Superlösung“

Angesichts der sich mehrenden Forderungen gerade jetzt im Wahlkampf hörten Stöger und Rendi-Wagner noch etwas ebenso gern: Der Wissenschaftler an der London School of Economics, machte das Hauptproblem nicht an der Zahl der Sozialversicherungsanstalten fest. In Österreich sind es derzeit 21, dazu kommen allerdings weitere 15 Krankenfürsorgeanstalten (KFA). Diese betreuen neben der Beamtenversicherung (BVA) öffentlich Bedienstete in Gemeinden und Ländern. Da gibt es sogar eine eigene Einrichtung in der Stadt Baden, bei der Gemeinde Wien sowieso. Das Wichtigste sei nicht, wie der internationale Vergleich zeige, ob es neun, 13 oder 15 Versicherungsträger gebe („es gibt da nicht eine Superlösung“), so Mossialos, sondern deren Qualität, diese müsse verbessert werden.

Möglichkeiten für Verbesserungen, die auch zu Einsparungen führen können, sieht er in dem zersplitterten heimischen System allerdings einige. So prangerte Mossialos an, dass Österreich bei der Zahl der Spitalsaufenthalte international gesehen eindeutig an der Spitze liegt: „Sie geben weiterhin immens viel Geld für den Elefanten Spitäler aus.“ Gerade die hohe Zahl an Spitalsaufenthalten ist die teuerste Form der Gesundheitsversorgung. Alle Bekenntnisse der Politik in der Vergangenheit, diesbezüglich eine Veränderung einzuleiten und dafür zu sorgen, dass mehr Patienten zu den niedergelassenen Ärzten gehen, sind jedoch weitgehend verpufft.

„Zahl der Spitalsbesuche reduzieren“

Hintergrund dafür ist das Finanzsystem. Länder (und Gemeinden) sind Spitalserhalter und schauen darauf, dass möglichst viel Geld den Krankenhäusern zufließt. Erst im Vorjahr beim neuen Finanzausgleich hat sich der Bund mit den Bundesländern erstmals verständigt, dass 200 Millionen extra für den Ausbau der medizinischen Versorgung außerhalb der Spitäler – für die neuen Primärversorgungszentren und den niedergelassenen Bereich – fließen. Mossialos bekräftigte dennoch weiter unbeirrt: „Reduzieren Sie die Zahl unnötiger Spitalsbesuche.“

Österreich liegt laut der 1400 Seiten starken Londoner Studie bei der Zahl der Ärzte international im Spitzenfeld. Der Studienautor hält es allerdings für nachteilig, dass darunter ein großer Anteil von Ärzten ohne Kassavertrag ist. Für die Ärzte müsse es daher ebenfalls Verbesserungen geben, um das System effizienter und damit günstiger zu gestalten. „Sie müssen die Ärzte an Bord haben“, rät Mossialos.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Sorge in Österreich, dass künftig nicht genügend Allgemeinmediziner und niedergelassene Fachärzte zur Verfügung stehen werden, ließ der Experte der London School of Economis mit einem konkreten Vorschlag aufhorchen. Er beließ es nicht dabei, „Anreize“ für niedergelassene Ärzte anzuregen. Vielmehr trat er für ein garantiertes, nicht näher beziffertes Einkommen für Mediziner in benachteiligten städtischen Gebieten, vor allem aber im ländlichen Raum ein. Er hält das für kostengünstiger: „Es ist sinnvoll, da zu investieren.“ Denn die Patienten würden sonst sofort ins Spital gehen. (ett)

ZUR PERSON

Elias Mossialos (56), ein gebürtiger Grieche, ist Autor der Studie über die Effizienz der österreichischen Sozialversicherung. Die Untersuchung mit nunmehr insgesamt rund 1400 Seiten liegt seit gestern, Donnerstag, offiziell vor. Sie war im Dezember 2016 von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) bei der London School auf Economics in Auftrag gegeben worden. Kosten: 630.000 Euro.

Zu den Hauptergebnissen zählt der Vorschlag von vier Modellen für die künftige Struktur der bisher 21 Sozialversicherungsanstalten, es gibt aber keine Empfehlung für eines der Modelle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2017)

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