Das Glückshaufenatelier

Das Künstlerduo Doris Krüger und Walter Pardeller war auf der Suche nach einer Wohnung mit Werkstatt und einem Lager. Fündig wurden sie in einem einstigen Tanzcafé.

Das Ganze hier ist ein riesiger Glücksfall“, sagt Walter Pardeller. Er steht mit Doris Krüger in einem über fünf Meter hohen Raum in der Aichhorngasse im zwölften Wiener Gemeindebezirk. Rundum reihen sich fertige und im fertig werden begriffene Kunstwerke aneinander, auf einem Tisch ist das Modell für den U-Bahn-Vorplatz der Seestadt Aspern aufgebaut. Über eine Treppe geht es auf eine Galerie, in zwei Büros und kleine Archivräume, geschaffen durch eine Zwischendecke, die wohl in den fünfziger Jahren eingezogen worden ist. „Genau wissen wir das nicht, aber irgendwann war das wohl einmal ein Büro und dann ein Holzhandel“, sagt Doris Krüger. „Und ganz früher ein Tanzcafé.“ An der Decke und an den Wänden des Raumes schnörkelt sich der Stuck mit Lauten und Harfen, Trompeten und Trommeln. Im hinteren Bereich ist eine versteckte Empore, in der das Orchester saß, während am Tanzboden die Post abging. Im 19. Jahrhundert galt die Gegend Richtung Schönbrunn und Tivoli im einstigen Obermeidling (heute zwischen Hohenbergstraße, Tivoligasse und Grünbergstraße) als Vergnügungsviertel. Mittels alter Baupläne hat das Paar die Geschichte des Objektes ein wenig recherchiert, 2009 ist es selbst eingezogen.

Durch die Wand in den Ballsaal

Drei Jahre zuvor hatten Krüger & Pardeller durch Zufall gegenüber dem heutigen Atelier eine Wohn-Werkstatt-Kombination gefunden. Doch mit der Zeit wurde es dort zu eng. „Wir hatten ein Lagerproblem. Man verkauft ja nicht alle Arbeiten. Dann stellt sich die Frage: Wohin damit?“, sagt Krüger. Die Entdeckungsgeschichte des einstigen Tanzcafés auf der anderen Straßenseite – versteckt hinter rostigen Rollbalken – ist eine kuriose: Zuerst meldet sich die Hausverwaltung nicht auf Anfragen, dann gibt es keinen Schlüssel zu den Räumen. Irgendwann klappt es dann doch. „Wir sind mit dem Makler hinein und standen in einer kleinen Kammer mit einem Fenster an der Decke“, erzählt Krüger. Gemeinsam erklimmt das Trio eine Leiter, steigt durch das Fenster und steht vor einer RigipsWand. „Der Makler ist, trotz Höhenangst, mitgekommen. Walter hat dann ein kleines Loch in die Mauer geschlagen, wir kriechen durch und stehen plötzlich in diesem Ballsaal.“ Krüger & Pardeller entdecken Türen, die ins Nichts führen, mehrere Keller, Wandsafes hinter Tapeten, alte Küchenfliesen, unzählige Steckdosen, Farbreste von früheren Renovierungsarbeiten. Insgesamt knapp 280 Quadratmeter auf zwei Ebenen. „Das war fast makaber“, sagt Pardeller. Der Preis ist günstig und das Künstlerpaar kauft die Räume. „Der Makler war selbst so glücklich über die Entdeckung, dass er uns nur eine kleine Gebühr verrechnet hat.“ Dann geht's ans Sanieren, Renovieren, Umbauen. Decken werden eingezogen, Böden verlegt, eine neue Heizung installiert. In die ehemalige Küche kommt ein Hochregallager für Kunstwerke und Installationen, in die Empore ein Gästezimmer. Die Büros sind auf der Galerie. „Wir vermuten, dass hier Schlafstätten für Arbeiter waren. Das war alles sehr spartanisch eingerichtet“, sagt Krüger.

Bei der Künstlerin stehen exotische Figuren auf der Kommode und Fotos im Regal, bei Pardeller mehrere Musikboxen um den Computer. Das Paar hat die Räume mit eigenen Prototypen möbliert, Regale oder Lampen sind Eigenkreationen aus vorhandenem Material. „Die Lampe in unserem Besprechungsraum stammt etwa aus der alten Werkstatt gegenüber“, sagt Krüger. Hier passiert viel Denkarbeit – zur Umsetzung geht es dann in die Werkstatt. „Je nach Projektstatus wechseln wir den Platz. Die Einheit von hier und drüben ist einfach toll. Arbeit und Leben gehen ineinander über“, sagt Krüger. Pardeller ergänzt: „In Wirklichkeit ist das alles hier ein Glückshaufen.“

ZUR PERSON, ZUM ORT

Das wienerisch-südtirolerischeKünstlerduo Doris Krüger und Walter Pardeller ist bekannt für seine Installationen, in denen sie die Wechselwirkung von Gesellschaft und Raumkonzepten untersuchen. Ihre Werke entstehen in einem Atelier in der Aichhorngasse im zwölften Wiener Bezirk, das früher einmal ein Tanzcafé war. Nach einer aufwendigen Renovierung dienen die Räume den Künstlern nun als Atelier, Büro und als Wohnung. www.kruegerpardeller.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2017)

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