Erfahrungen aus Brasilien nutzen

Ursprünglich hat er Informatik studiert, nun ist Johannes Schmidt Energieökonom. In der Freizeit trommelt er in einer brasilianischen Percussiongruppe.
Ursprünglich hat er Informatik studiert, nun ist Johannes Schmidt Energieökonom. In der Freizeit trommelt er in einer brasilianischen Percussiongruppe. (c) Akos Burg
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Der Energieökonom Johannes Schmidt will wissen, welche Möglichkeiten es weltweit für erneuerbare Energien gibt. Und wie die Infrastruktur von der Bevölkerung akzeptiert wird.

Österreich und Europa können viel von der Erfahrung lernen, die es in Brasilien gibt“, sagt Johannes Schmidt vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung der Boku Wien. Der Energieökonom ist seit seiner Jugend von Brasilien begeistert und knüpft nun Verbindungen zwischen der Forschung in Südamerika und jener in Europa.

Sein Fachgebiet sind erneuerbare Energien, also Energie, die nicht aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Gas oder Kohle gewonnen wird, sondern aus Wind, Sonne oder Wasserkraft. „Brasilien hat traditionell einen sehr hohen Anteil an Wasserkraft. Dort kann man Probleme untersuchen, die auf Europa zukommen, wenn wir hier den Anteil an erneuerbaren Energien hochschrauben wollen“, sagt Schmidt. Herausforderungen gibt es in puncto Langzeitspeicher und klimatischen Schwankungen.

Wer je länger in Brasilien gelebt hat, kennt die Phasen, in denen die Bevölkerung Strom sparen muss, weil die Wasserspeicher des Landes zur Neige gehen und es in langen Trockenperioden zu Stromausfällen kommt. „Als ich 2014 für den langen Forschungsaufenthalt an der Universidade Federal do Rio de Janeiro ankam, war gerade eine Phase, in der die Reservoirs fast leer waren. Doch uns blieb eine strenge Rationalisierung erspart, weil zufällig Wahljahr war“, erinnert sich Schmidt.

Schwankungen bei Wasserkraft

16 Monate lebte er mit seiner Partnerin in Rio und bezeichnet die Stadt als eine der schönsten der Welt. „Die Kombination aus Strand, Meer und den Bergen haben wir sehr genossen. Wir waren ein bisschen klettern und viel wandern. Es war eine sehr intensive Zeit, wir haben auch bei einer Percussiongruppe getrommelt.“ In seiner Forschung ging er der Frage nach: Kann man langfristige Schwankungen im Wasserkraftbereich durch Solar- und Windenergie ausgleichen? Dazu nutzt er Computermodelle, die berechnen, wie viel Strom in welcher Region jeweils produzierbar wäre und wie weit man diesen transportieren kann. „Der zweite Forschungsstrang, der bei dieser Frage stets mitspielt, dreht sich um die soziale Akzeptanz dieser Infrastrukturen: Wo man Wasser-, Wind- oder Solarkraftwerke errichtet, gibt es immer Landnutzungskonflikte“, sagt Schmidt. Für diese Fragen war Brasilien ein guter Boden, denn dort plant man Projekte in viel größerem Maßstab als in Österreich, denkt man etwa an Wasserkraftprojekte in den ärmeren Gegenden Brasiliens. „Ich habe Orte besucht, an denen bereits Windkraftprojekte errichtet waren, und Gegenden, in denen noch keine große Energie-Infrastruktur geplant war. Dort habe ich Interviews geführt, um empirisches Material über Landnutzungskonflikte zu sammeln.“

Die vorläufigen Ergebnisse zeigten, wie die Bevölkerung die Veränderungen der eigenen Lebenswelt durch Kraftwerke beurteilt. Diese Interviews bilden eine Grundlage für sein vom europäischen Forschungsrat mit dem hoch dotierten ERC-Starting Grant finanziertes aktuelles Projekt, das der 36-Jährige an der Boku Wien starten wird. Hier ist Schmidt seit Mai Assistenzprofessor.

Globalisierung der Energiesysteme

„In dem Projekt verbinde ich die globale Frage, wo wir in Zukunft Energie gewinnen werden, mit der Frage nach den lokalen Konflikten, die damit verbunden sind“, erklärt er. Dabei stellt er sich gegen die mehrheitliche Meinung, dass erneuerbare Energieträger nicht über Kontinente hinweg handelbar wären. „Es gibt Faktoren, die für eine langfristige Globalisierung erneuerbarer Energiesysteme sprechen – dazu gehören unterschiedliche klimatische Bedingungen, aber auch die Verfügbarkeit von Land. Und die Entwicklung handelbarer Technologien wie z. B. solarer Treibstoffe.“

Seine Begeisterung für Brasilien muss Schmidt in seinem österreichischen Projekt nicht hintanstellen: Er betreut noch Dissertanten an der Uni in Rio und hat immer wieder brasilianische Studenten an der Boku zu Gast. Außerdem spielen seine Freundin und er nun auch in Wien in der brasilianischen Percussiongruppe Maracatu Caxinguelê. Seit einigen Monaten aber ein bisschen weniger, da im Mai ihre Tochter auf die Welt gekommen ist.

ZUR PERSON

Johannes Schmidt (36) ging statt des Zivildiensts ein Jahr nach Brasilien. In der Peripherie von Salvador da Bahia arbeitete er in einer Pfarre, gab Computerkurse und half beim Aufbau einer Schule. 2014 zog er nach Rio de Janeiro, um klimatische und technologische Grundlagen von erneuerbaren Energien zu erforschen. Ein halbes Jahr forschte er auch in Petten, Niederlande. Seit Mai 2017 ist er Assistenzprofessor der Boku Wien.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)

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