Lebensversicherungen-Rücktrittsrecht hat massive Auswirkungen für Kunden

APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner
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Die Rückabwicklungen von Lebensversicherungen seien ein wirksames juristisches Mittel, damit Verluste nicht auf Kunden überwälzt werden, heißt es beim Verein Cobin claims.

Die vom Gesetzgeber geplanten Einschnitte in die Rücktrittsrechte bei Lebensversicherungen haben offensichtlich massive Auswirkungen auf die Ansprüche der Kunden. Die Unterschiede für die Versicherten sind enorm, wenn sie wegen fehlerhafter Rücktrittsbelehrung den Vertrag auflösen bzw. in Zukunft die Verluste tragen müssen, zeigte der Verein Cobin claims am Dienstag anhand von realen Fällen auf.

Das erste Beispiel bezieht sich auf die Rückabwicklung eines von vor Jahren beendeten Vertrages: Der Kunde zahlte von 2007 bis 2011 mehr als 135.000 Euro an Prämien ein, kündigte 2013 und bekam von der Versicherung nur mehr 56.189,57 Euro ausbezahlt - er verlor also mehr als 50 Prozent der Einzahlungen. Durch den rückwirkenden Rücktritt stehen ihm aktuell 111.199,06 Euro zu - aus einem herben Verlust von über 79.000 Euro wurde durch den Rücktritt und damit die Beseitigung der Verluste der Lebensversicherung ein Gewinn von über 32.000 Euro.

Beim zweiten Beispiel geht es um die Rückabwicklung eines kürzlich beendeten Vertrages: Die Einzahlungen beliefen sich von 2007 bis Anfang 2017 auf monatlich 125 Euro (indexiert, zuletzt 177,91 Euro pro Monat), insgesamt wurden 16.407,93 Euro vom Versicherungsnehmer bezahlt; nach der Kündigung im Februar 2017 zahlte die Lebensversicherung nur 14.003,94 Euro aus. Verlust: 2.403,99 Euro. Der Anspruch durch die Rückabwicklung beträgt 5.296,39 Euro. Statt mit 2.403,99 Euro Verlust steigt der Kunde insgesamt mit 2.892,40 Euro Gewinn aus.

Das dritte Beispiel zeigt die Differenz bei der Rückabwicklung eines laufenden Vertrages: Der Kunde zahlte seit 2011 monatlich 180 Euro ein (indexiert, zuletzt 209,80 Euro pro Monat); insgesamt 15.000,80 Euro. Rückkaufswert laut Versicherung: 11.209,46 Euro. Anspruch heute durch Rückabwicklung (inkl. 4 Prozent Zinsen p.a.): 16.802,60 Euro, das ist eine Differenz von 5.593,14 Euro gegenüber einer regulären Auszahlung.

"Die realen Beispiele zeigen deutlich, dass Rückabwicklungen von Lebensversicherungen ein wirksames juristisches Mittel sind, damit Verluste nicht auf Kunden überwälzt werden", so Cobin-claims-Obmann Oliver Jaindl. Der Verein führt selbst eine Sammelaktion durch.

Gesetzesänderung problematisch

Die geplante Gesetzesänderung sei nicht nur wirtschaftlich für Kunden problematisch, sondern auch verfassungswidrig und widerspreche auch Europarecht. "Dieser Eingriff in das Gestaltungsrecht des Versicherungsnehmers ist meiner Meinung nach ein unzulässiger – verfassunsgwidriger - Eingriff des Gesetzgebers in das Privatrecht", so Anwalt und Cobin-claims-Beirat Wolfgang Haslinger. Durch die Gesetzesänderung würden die Veranlagungsverluste im Fall eines Rücktrittes auf den Versicherungsnehmer abgeschoben. Dies widerspreche dem "effect utile" des EU-Rechtes, wonach die Verbraucherrechte effektiv geschützt sein müssten.

"Der Antrag hat primär das Ziel, so schnell wie möglich, bei Millionen alter Lebensversicherungsverträge - geschlossen ab 1994 - ein mögliches Rücktrittsrecht für Versicherungsnehmer abzuschneiden und den Versicherern Millionen Euro an Rückzahlungen zu ersparen", kritisierte am Dienstag auch der ehemalige Chefjurist des Vereins für Konsumeninformation (VKI), Peter Kolba von der Liste Peter Pilz. Der Antrag werde am 4. Oktober 2017 im Finanzausschuss des Parlamentes beraten und solle offenbar in der letzten Plenarsitzung am 12. Oktober 2017 beschlossen werden. Kolba: "Das ist ein Skandal." Er appellierte in einer Presseaussendung an die SPÖ, das Gesetz keinesfalls vor der Wahl zu beschließen, sondern die Beratungen darüber jedenfalls auf nach der Wahl zu verschieben.

Kolba empfiehlt Versicherungsnehmern von bereits ausbezahlten und auch noch laufenden Lebensversicherungen, die Verträge raschest durch die Arbeiterkammern, den VKI, Cobin claims oder einem versierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen, ob eine falsche Belehrung und damit ein (derzeit noch) "lebenslanges Rücktrittsrecht" besteht. "Falls ja, rate ich, diesen Rücktritt - nach Beratung - rasch zu erklären. In wenigen Wochen könnte es, beschließt die Regierung die Novelle doch wie geplant vor der Wahl, zu spät sein", so Kolba.

(APA)

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