Schreiben lernen: „Im Vordergrund steht die Bewegung“

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Der deutsche Experte Christian Marquardt erklärt, warum viel Üben oft nichts bringt. Mit dem richtigen Stift allein ist es nicht getan. Es ist vor allem die Art des Unterrichtens, die Marquardt kritisiert.

WIEn. Verkrampfung, Lustlosigkeit, Misserfolg: So enden für so manchen Taferlklassler die ersten Schreibversuche. Der Lehrer ist mit dem Ergebnis unzufrieden und nun wird zu Hause geübt, geübt, geübt. Ohne Erfolg. Denn, erklärt Christian Marquardt: „Das Üben macht es manchmal nur noch schlimmer. Die Hand verkrampft sich weiter, die Schrift wird noch unleserlicher.“

Einen Gutteil der Schuld an diesem Versagensmuster schreibt Marquardt der an vielen Schulen gepflogenen Unterrichtsmethode zu, die da ist: die Buchstaben kopieren, möglichst schön, möglichst klein, dabei in einer Zeilenhöhe bleiben. Geschrieben wird zudem zunächst mit einem harten Bleistift, für ein schöneres Schriftbild, später mit einer Füllfeder. Gern wird dabei ein Modell für die gesamte Klasse bestellt.

Schwungübungen

Doch es ginge auch anders – ohne Frust, ohne Misserfolge, mit Freude und Spaß am Erlernen des Neuen. Kein Kind ist wie das andere, betont Marquardt, langjähriges Mitglied der Entwicklungsgruppe Klinische Neuropsychologie am Klinikum München-Bogenhausen und Berater des Stifteproduzenten Stabilo. Soll heißen: Während das eine Kind noch vor Beginn des eigentlichen Schreibens die Feinmotorik mit sogenannten Schwungübungen schulen sollte, kann ein anderes schon nach kurzer Zeit zum Schreiben mit Tinte wechseln.

Für alle Kinder aber gilt, so der Experte: von grob zu fein, von dick zu dünn. Letzteres bezieht sich auf die Stifthülle – je kleiner das Kind und damit je kleiner die Hand, umso leichter tut sich das Mädchen oder der Bub mit dem Halten des Stiftes. Analog dazu sollte mit einer möglichst weichen Mine begonnen werden. Und wenn dann der Umstieg auf Tinte gewünscht wird, empfiehlt Marquardt den Kindern zunächst einen ergonomischen Kulifüller anzubieten. Der Vorteil gegenüber der klassischen Füllfeder: Er liegt gut in der Hand, wodurch diese nicht verkrampft und die Tinte nicht verschmiert.

Doch mit dem richtigen Stift allein ist es nicht getan. Es ist vor allem die Art des Unterrichtens, die Marquardt kritisiert. Im Vordergrund sollte die Bewegung – das Erlernen des richtigen Bewegungsablaufs – stehen. Im schulischen Alltag würden die Kinder aber eher angehalten, die Buchstaben zu kopieren. Ein langsamer und mühsamer Prozess. Leichter ginge es, wenn die Kinder lernten, jeden Buchstaben zu sequenzieren, also zu erfassen, aus welchen Teilen, Strichen er sich zusammensetzt, und ihn dann – ohne auf ein vorgegebenes Schriftbild zu schauen – selbst zu schreiben. Anfangs groß, schließlich immer kleiner. „Die ideale Schriftgröße wird dann nach und nach von selbst erreicht.“Marquardt vergleicht das Schreibenlernen mit dem Gehenlernen: „Beim Gehenlernen fällt man hin. Das gehört dazu. Auch das Schreibenlernen ist ein Prozess. Das Schriftbild kann nicht von Anfang an perfekt sein.“ Das optimale Ergebnis könne immer nur am Ende eines Lernwegs stehen – und nicht schon am Anfang.

Zudem warnt der Grafomotorikexperte: Selbst Schüler, die nach der Kopiermethode zunächst gute Erfolge erzielen, also ein schönes Schriftbild vorweisen können, sind nicht vor Misserfolg gefeit. Dann nämlich, wenn es in der dritten, vierten Klasse heißt: schnell schreiben. Kinder, die nach der Kopiermethode unterrichtet werden, sind wesentlich langsamere Schreiber als solche, die nach der Sequenziermethode gelernt haben. Der zeitliche Druck führt dann vielfach nicht nur zu einer unleserlichen Schrift, sondern auch zu Fehleranfälligkeit. Und zu verkrampften Handstellungen, die in manchen Fällen nur mehr mithilfe eines Ergotherapeuten wieder korrigiert werden können.

Abwechslung ist wichtig

Den richtigen Stift, die richtige Herangehensweise an das Schreiben sieht Marquardt daher auch als Prävention gegen spätere gesundheitliche Probleme. Das gilt auch für Menschen, die mit Handbeeinträchtigungen zu kämpfen haben. Nach Operationen würden viele Patienten dann sofort anfangen, wie besessen in Heften Schreibübungen zu machen, und es rasch wieder aufgeben. Denn die Hand verkrampft sich, das Schriftbild ist nicht leserlich. Auch hier empfiehlt sich: großflächig zu schreiben beginnen, mit Lust und Freude und dicken Stiften.

Auch Abwechslung tut gut: einmal einen ergonomischen Druckbleistift mit dicker Mine, einmal einen Tintenroller, dann wieder einen Buntstift, ab zwölf Jahren auch Gelstifte verwenden. Den kleinen Schreibern machen dabei nicht nur die verschiedenen Farben am Papier Freude, sondern auch der bunte Stift in der Hand.

Für Stabilo hat Marquardt zudem ein Computerprogramm entwickelt, das die Motorik beim Schreiben analysiert, „Schreibtableau“ genannt. Hier kann jeder testen, welcher Stift am besten zu ihm passt. Der Stabilo-Flagship-Store auf der Wiener Mariahilfer Straße bietet diesen Test jederzeit ohne Anmeldung an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2009)

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