15 Tote bei Straßenschlachten in Teheran

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Der Protest wird radikaler und richtet sich inzwischen auch gegen Revolutionsführer Khamenei. Unter den getöteten Demonstranten befand sich offenbar ein Neffe von Oppositionsführer Moussavi.

Die Todesnachricht war noch kaum im Umlauf, da wurde Seyed Ali Moussavi im Internet bereits zum Märtyrer erklärt: Zum Märtyrer der iranischen Opposition, erschossen am Tag des Ashura-Festes, an dem die Schiiten eigentlich des Märtyrertodes eines Enkels des Propheten Mohammed gedenken. Der angeblich durch einen Schuss in die Herzgegend Getötete war der 35-jährige Neffe von Oppositionsführer Mir Hussein Moussavi.

Die Regimegegner hatten am Sonntag das Ashura-Fest genützt, um trotz massiver Polizeipräsenz erneut zu Zehntausenden auf die Straße zu gehen. Dabei dürfte es in mehreren Städten zu schweren Zusammenstößen gekommen sein. Ausländischen Journalisten ist aber seit Beginn der Antiregierungsdemonstrationen im Juni die Berichterstattung von den Protesten verboten, und so ist es sehr schwierig herauszufinden, was sich im Detail tatsächlich abspielt.

Fünf Menschen von "Terrorgruppen" getötet

Nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens sind bei den Massenprotesten in Teheren mehr als 15 Menschen ums Leben gekommen. "Bei verdächtigen Aktionen" seien fünf Personen "von Terrorgruppen" getötet worden, meldete das Fernsehen unter Berufung auf das Geheimdienstministerium. Zudem seien "mehr als zehn bekannte Mitglieder von terroristischen antirevolutionären Gruppen getötet" worden, hieß es in einer Sendung über die Proteste der Gegner von Präsident Mahmoud Ahmadinejad. Oppositionszeitungen berichteten im Internet von vier weiteren Toten in der nordiranischen Stadt Täbris, Straßenschlachten habe es auch in Shiraz, Isfahan, Najafabad, Mashhad und Babol gegeben.

Nach Angaben von Oppositionskreisen vom Montag wurde der liberale Oppositionspolitiker Ibrahim Yazdi festgenommen. Die US-Regierung hat das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten scharf verurteilt. Eine Regierung, die auf Angst und Gewalt setze, sei nie gerecht, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington.

Der iranische Oppositionspolitiker Mehdi Karroubi verurteilte die blutige Gewalt gegen die Demonstranten scharf. In einer Erklärung, die am Montag auf seiner Website verbreitet wurde, fragte er die Regierung, wie sie ausgerechnet am höchsten schiitischen Feiertag, dem Ashura-Fest, das Blut des eigenen Volkes vergießen konnte. Sogar das Schah-Regime habe diesen heiligen Tag respektiert, rügte Karroubi, der wie Moussavi bei der Präsidentenwahl im Juni gegen den umstrittenen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad angetreten war.

Polizisten verweigerten Befehl

Eines der Hauptziele der Ordnungskräfte war es, einen längeren Demonstrationszug auf Teherans zentraler „Revolutionsstraße“ zu verhindern, was ihr offenbar gelang. Dabei setzten sie Schlagstöcke und Tränengas ein. Autofahrern, die durch Hupen ihre Unterstützung für die Demonstranten bezeugten, wurden die Windschutzscheiben eingeschlagen und die Nummernschilder beschlagnahmt. In U-Bahn-Stationen wurden grüne Kleidungsstücke eingesammelt. Grün ist die Erkennungsfarbe der Opposition.

Sonntag war bereits der zweite Tag schwerer Zusammenstöße in Teheran. Am Samstag hatten zunächst regimetreue Milizen eine Ansprache des ehemaligen Reformpräsidenten Ayatollah Mohammed Khatami in einer zu seinen Lebzeiten von Revolutionsführer Khomeini aufgesuchten Moschee verhindert. Als sich daraufhin tausende Unterstützer der Opposition im Umfeld der Moschee versammelten, griff ein Großaufgebot der Polizei hart durch.

Oppositionsmedien berichteten aber, dass sich einige Polizisten den Befehlen widersetzten, hart gegen Demonstranten vorzugehen und auf sie zu schießen.

Radikalisierung der Opposition

Neu an den Protesten ist, dass seit Anfang des Monats in Slogans zunehmend nicht nur der Ahmadinejad angegriffen wird, dem die Opposition Betrug bei seiner Wiederwahl im Juni vorwirft, sondern auch der religiöse Führer Irans, Ali Khamenei. Man kann darin ein Zeichen für die zunehmende Radikalisierung eines Teils der Opposition sehen.

Außerdem scheint die Protestbewegung an Tiefe zu gewinnen. Proteste werden nicht nur aus dem Zentrum Teherans und dem vom Mittelstand bewohnten Norden gemeldet, sondern auch aus dem von ärmeren Schichten bewohnten Süden der Hauptstadt. Gemeinhin gilt dieser Teil sonst als Ahmadinejad besonders gewogen. Selbst eine Gedenkveranstaltung für den vor zwanzig Jahren verstorbenen Revolutionsführer Khomeini an seinem Schrein im Süden Teherans soll kürzlich abgesagt worden sein, weil befürchtet wurde, sie könnte als Forum für Proteste gebraucht werden.

Auch wenn sich wegen der strengen Einschränkungen für die ausländische Presse nicht jede Meldung überprüfen lässt: Zweifellos geschehen derzeit im Iran Dinge, die die Islamische Republik in den 30 Jahren ihres Bestehens noch nicht erlebt hat.

(Die Presse/Ag.)

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