Kriminalität: Polizei sucht Bürgernähe

(c) Clemens Fabry
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Besseres Know-how in der Tatortarbeit soll die explosionsartig gestiegene Einbruchskriminalität senken. Bürger und Polizei sollen künftig auf lokaler Ebene zusammenarbeiten. Ein Vorreiter ist "proNachbar" in Wien.

Kein Sicherheitsthema beschäftigte im abgelaufenen Jahr die Menschen mehr als die enorme Zunahme von Einbrüchen in Wohnungen und Einfamilienhäuser. Besonders stark betroffen war Ostösterreich. In den ersten elf Monaten 2009 wurde allein in Wien in 8864 Wohnungen und 1819 Wohnhäuser eingebrochen – ein Plus von 11,4 bzw. 66,4Prozent. Für 2010 hofft die Polizei auf eine Trendumkehr. Nach Informationen der „Presse“ will Innenministerin Maria Fekter nach Jahresbeginn gleich mehrere neue Projekte präsentieren, um die horrenden Einbruchszahlen in den Griff zu bekommen.

Ein besonderer Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit zwischen Polizei und engagierten Bürgern. „Community Policing“ hat in den USA und Großbritannien eine lange Tradition. Engagierte Initiativen, die sich für mehr Sicherheit auf lokaler Ebene (Grätzel, Gemeinde) einsetzen, sollen künftig verstärkt Unterstützung von der Polizei erhalten.

Neue Kriminalstatistik 2010

Ein Vorreiter dabei ist „proNachbar“ in Wien. In diesem Verein versuchen Anrainer, Bezirksvorstehungen, lokale Polizeiinspektionen und Präventionsexperten, durch Informationsaustausch ihr Grätzel sicherer zu machen. Die Polizei erhält einerseits verdächtige Wahrnehmungen von Bürgern, andererseits bekommen Bewohner regelmäßig aktuelle Hinweise, in welcher Straße es zuletzt zu Einbrüchen gekommen ist. Noch läuft die Zusammenarbeit aber nicht friktionslos: In der Frage, welche Informationen die Polizei weitergeben darf, gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Außerdem sollen neue Wege in der Tatortarbeit beschritten werden. Ein Bereich, dem in Österreich offenbar noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist etwa die Analyse von Schuhabdrücken. Hier soll 2010 mehr Know-how einfließen. Ebenfalls auf der Agenda für das Jahr 2010: Das Innenministerium will die Kriminalwissenschaft ausbauen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kriminalität, ihren Formen und eine allgemeine Sicherheitsforschung finden derzeit innerhalb der Polizei nur marginalen Niederschlag. Hier sollen künftig Experten aus den eigenen Häusern (Bundeskriminalamt, Sicherheitsakademie) stärker einbezogen werden, außerdem wird der Kontakt mit Forschern außerhalb der Polizei intensiviert.

Bereits eingebunden sind externe Experten in ein weiteres Projekt: Fekter hat Anfang Jänner 2009 und nach der Aufregung um die von Ex-Kripo-Chef Haidinger vorgebrachten Vorwürfe um vermeintlich „getürkte“ Zahlen gemeint, die derzeitige Kriminalstatistik sei „nicht mehr aussagekräftig genug“, und eine neue Zählweise angekündigt. Diese lässt noch auf sich warten: Im Innenministerium heißt es, man „arbeite intensiv daran“, 2010 würden erste Umsetzungsschritte erfolgen.

„Immens auf der Hut sein“

„Wir sind optimistisch, dass wir die Situation bei den Einbrüchen demnächst entschärfen können“, sagt Franz Lang, Leiter des Bundeskriminalamtes, zur „Presse“. Entwarnung will er aber noch keine geben: „Erfahrungsgemäß steigen die Einbrüche im Dezember noch an, sind im Jänner auf einem hohen Niveau und gehen dann im Februar aber wieder zurück.“

Zur seit 19. Dezember bestehenden Visafreiheit für Bürger aus Serbien, Montenegro und Mazedonien innerhalb der EU meint Lang: „Man muss immens auf der Hut sein. Serben und in etwas abgeschwächter Form Mazedonier spielen eine Rolle in der Einbruchskriminalität in Österreich.“ Daher habe man mit diesen drei Staaten im kriminalpolizeilichen Bereich Maßnahmen gesetzt. Darunter fallen auch der Austausch und die Schulung von Kriminalbeamten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2009)

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