Theater der Jugend: Charmant-pfiffige Revitalisierung

(c) Teresa Zötl
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„Das doppelte Lottchen“ von Erich Kästner gefällt im Renaissancetheater nicht nur den Kids.

In der Vita des liebenswürdigen, scharfzüngigen, auch melancholisch-resignativen Erich Kästner (1899–1974) ist das „Doppelte Lottchen“ ein markanter Punkt. Bereits in der NS-Zeit sollte die Story verfilmt werden. Dies kam nicht zustande, weil Kästner Schreibverbot erhielt. 1949 erschien das Buch.

Die Geschichte der Zwillinge, die bei der Scheidung ihrer Eltern getrennt werden und einander durch Zufall in einem Ferienlager treffen, trägt harmonisierende Nachkriegszüge, bleibt aber auf jeden Fall genial – inzwischen womöglich nicht zuletzt deshalb, weil man sich wieder mehr Gedanken macht, wie Ehe-Trennungen anders als rabiat zu lösen wären.

Sogar Hollywood schnappte die Story

Im Wiener Renaissancetheater hat Markus Felkel eine „Fassung des Theaters der Jugend“ inszeniert, die nicht allzu wild von der Vorlage abzuweichen scheint. Der Trumpf ist, dass echte Zwillinge spielen – und bei der Premiere sogar einige echte Zwillinge zusahen.

Birgit und Nicole Radesch führen ihre Kämpfe, ihr Zusammenfinden im Feriencamp – nachdem sie sich gemeinsam gegen einen Bären zur Wehr gesetzt haben – und ihre Tricks, die Eltern wieder zusammenzubringen, mit großem Charme aus. Den Eltern wurde Kästners Freundlichkeit ausgetrieben: Der Dirigent Ludwig Palfy (Sebastian Eckhardt) und seine Exfrau Luiselotte, eine Journalistin (Pia Baresch), werden wohl nur mehr fusionieren, wenn Luiselotte arbeitslos bleibt, also aus wirtschaftlichen Gründen. Pilar Aguilera und Doris Prilop sind wahrhaft skurrile Pfadfinderführerinnen. Sabrina Rupp  entzückt als dicke Chantal, die die Scheidung ihrer Eltern verkraftet, indem sie sich mit der neuen Gefährtin ihres Vaters anfreundet. Diese ist, oh Wunder, Ernährungsberaterin – und Chantal schrumpft auch prompt.

Uwe Achilles ist ein lustiger Jean-Jacques, der nicht versteht, warum das Mädchen, das aus dem Camp heimkommt so diametral anders ist als jenes, das er abgeliefert hat. Das übertriebene Theater, welches die Theater-der-Jugend-Schauspieler (oder ihre Regisseure) nach dem Motto „Ach, seht her, wie heiter!“ sonst entfalten, scheint diesmal gedämpft. Trotzdem gibt es viel zu lachen. Geht doch. Sogar Peter Steiner ist als Kammersängerin Strobl mit Hündchen und Papagei eine Show. Allerdings: Solche Schreckschrauben gibt es in der Oper kaum mehr. Was für ein Glück!

Jüngst war wieder einmal „Eins und eins macht vier“ mit den epidemisch TV-präsenten Olsen-Zwillingen zu sehen, eine freie „Lottchen“-Fassung von 1995. Da sieht man, wie gut der Stoff ist. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2009)

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