Der EU-Gipfel beschloss keinen Stopp von Beitrittsverhandlungen, aber sandte Warnsignale an die Türkei.
Brüssel. Die Türkei muss vorerst auf einen Teil ihrer finanziellen Unterstützung aus der EU verzichten. Das zeichnete sich am Donnerstag beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs ab. Zwar werden die Beitrittsverhandlungen zumindest pro forma weitergeführt, aber die damit verbundene finanzielle Hilfe soll gekürzt und umstrukturiert werden.
Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, drängte auf ein Warnsignal an Ankara. Schon vor dem Gipfeltreffen ließ sie aber klarstellen, dass die Vorbeitrittshilfen nicht gänzlich eingestellt würden. Für die Türkei sind bis 2020 insgesamt 4,45 Milliarden Euro im EU-Budget reserviert. Laut EU-Kommission wurden davon erst 260 Millionen ausbezahlt. Künftig soll die Regierung weniger erhalten. Im Gegenzug soll die Zivilgesellschaft stärker unterstützt werden.
Keine Mehrheit für Stopp
Der Wunsch von Außenminister Sebastian Kurz, die Beitrittsverhandlungen abzubrechen, wird sich vorerst nicht erfüllen. Zwar hat auch Merkel dies vor wenigen Wochen im Wahlkampf in Aussicht gestellt. Nun machte sie aber klar, dass es dafür keine notwendige Mehrheit aller EU-Mitglieder gebe. Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara hat sich nach der Verhaftung von mittlerweile elf deutschen Staatsbürgern deutlich verschlechtert.
Der türkische Staatspräsident, Recep Tayyip Erdoğan, versuchte vor dem EU-Gipfel, versöhnliche Töne anklingen zu lassen. Die EU habe sein Land zwar „sehr gekränkt“, aber die Türkei werde die Beziehungen „weiterführen, ohne sie abzubrechen“. (ag./GO)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2017)