Deutschland: Arbeitslosengeld an Supermarktkassen sorgt für Proteste

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Supermärkte und Drogerien sollenin Deutschland künftig das Arbeitslosengeld auszahlen. Die Arbeitsagentur will dadurch 3,2 Mio. Euro einsparen. Der Protest folgt auf den Fuß: Die Stigmatisierung der Empfänger sei unausweichlich.

Die deutsche Bundesagentur für Arbeit (BA) verbannt das Bargeld aus ihren Jobcentern und Arbeitsagenturen. Stattdessen sollen Arbeitslose an den Kassen von Supermärkten und Drogerien Bargeld ausgezahlt bekommen, sagte ein Sprecher der Agentur. Er bestätigte damit einen Bericht der deutschen "Welt am Sonntag", der am Wochenende für Aufregung sorgte.

2016 wurden in 400.000 Vorgängen über die eigenen Automaten insgesamt 120 Millionen Euro an Bargeld ausbezahlt. Laut "WamS" sollen diese gut 300 Kassenautomaten aus Kostengründen bald Geschichte sein. Die Agentur musste dafür bisher 3,2 Millionen Euro pro Jahr aufwenden. Laut eigenen Angaben betrifft diese Änderung allerdings nur einen kleinen Teil der Transaktionen. Der mit Abstand größte Teil des Arbeitslosengeldes werde weiter wie bisher an die Betroffenen überwiesen. Auch die von den Jobcentern ausgegebenen Barschecks blieben erhalten.

Kritik von links: "Wo kommen wir denn da hin?"

Die Arbeitsmarktexpertin der Linken, Sabine Zimmermann, warf der Arbeitsagentur vor, ihre ureigene Aufgabe an die Supermärkte zu delegieren. "Wo kommen wir denn da hin, wenn eine staatliche Behörde ihre Aufgaben an die Supermärkte ausgliedert?" Die Bundesagentur müsse gewährleisten, dass über die Jobcenter und Arbeitsagenturen auch Bargeld ausgegeben werden könne. Gerade viele Obdachlose hätten kein eigenes Konto und seien auf die Barauszahlungen angewiesen. Sie sieht außerdem eine drohende Stigmatisierung. Das Konzept könne allenfalls eine Ergänzung sein.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, lehnte die Pläne in der Berliner Zeitung am Montag ab. Die Gefahr der Stigmatisierung sei unausweichlich gegeben. "Wenn das ein Bescheid mit einem Barcode ist, den man in der Supermarktschlange an der Kasse vorzeigen muss, um Geld ausbezahlt zu bekommen, ist das ein denkbar indiskretes Verfahren", sagte Schneider. Wenn so etwas gemacht werde, müsse "absolute Diskretion" gewährleistet sein, um jede Stigmatisierung auszuschließen. "Uns ist noch nicht klar, wie das in der Praxis funktionieren soll."

In der Bundesagentur ist man um Beschwichtigung bemüht: Geld an der Supermarktkasse gebe es meist nur im Notfall. Etwa, wenn Leistungsberechtigte an einem Freitag Bargeld benötigen und eine Überweisung entsprechend nicht mehr ankomme. Eine Stigmatisierung der Betroffenen solle dadurch vermieden werden, dass die zur Auszahlung gewählten Barcodezettel neutral gedruckt würden. Die Barcodezettel werden an der Kasse abgegeben, im Gegenzug gibt es das Bargeld. Die Arbeitslosengeldbezieher hätten außerdem mit der bis Ende 2018 abgeschlossenen Umstellung deutlich mehr Möglichkeiten, an Bargeld zu kommen: Statt der lediglich gut 300 Automaten gebe es dann die Möglichkeit, in über 8000 Märkten von Rewe, Penny, Real, DM und Rossmann Geld zu erhalten.

(APA/AFP)

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