Stimmungshoch im Tourismus kann Imageschaden nicht kitten

Das Hotelpersonal mag seinen Job wieder. Lehrlinge fehlen dennoch. Oft aufgrund der abschreckenden Erfahrung der Eltern.
Das Hotelpersonal mag seinen Job wieder. Lehrlinge fehlen dennoch. Oft aufgrund der abschreckenden Erfahrung der Eltern. (c) REUTERS (Leonhard Foeger)
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Die Arbeit im Hotel wird attraktiver. Schüler und Ältere meiden sie dennoch. Eine schmale – nicht immer geeignete – Gruppe bleibt übrig.

Wien. Die gute Nachricht zuerst: Das Personal in den Hotels und Gasthäusern Österreichs ist erstmals seit der Krise wieder so glücklich wie in anderen Branchen. Das zeigt der Arbeitsklimaindex, den das gewerkschaftsnahe Ifes-Institut für die Arbeiterkammer interpretierte. „Seit 2015 sehen wir eine klare Trendwende, es geht im Tourismus wieder nach oben“, sagt Georg Michenthaler vom Ifes. Die Betriebe hätten den Ernst der Situation erkannt und bei Sozialleistungen, Lohn und Weiterbildung nachgebessert, um Leute zu halten.

Während die Hoteliervereinigung (ÖHV) bei einer Diskussionsrunde am Freitag den Erfolg betonte, sprach die Gewerkschaft Vida von einer „gebremsten Fluchttendenz“. Laut Index wollten sich 2014 – als die Arbeitslosigkeit auf Rekordhoch und die Stimmung auf Rekordtief war – 50 Prozent nach einer neuen Stelle umsehen. Heute sind es 39 Prozent, aber nach wie vor deutlich mehr als in anderen Branchen. Knapp ein Fünftel will den Beruf ganz wechseln.

Die Analyse zeigt auch die Bruchlinie innerhalb der Branche: Während die Jungen bis 29 ihren Job für die Ortswechsel im Saisonbetrieb und die Auslandsengagements schätzen und ungeplantes Arbeiten auf Abruf, Wochenenddienste und Überstunden in Kauf nehmen, sinkt die Begeisterung mit Alter und Familiengründung stetig. Wenig erstaunlich verhält es sich ebenso zwischen den Berufsgruppen: Zimmermädchen sind weniger zufrieden als Manager.

Abschreckung in der Familie

Kurz gesagt: Im Tourismus wird die jüngere, stressresistente, mobile Fachkraft eher glücklich. Genau hier beginnt aber die Schwierigkeit. „Es gibt ein strukturelles Problem, weitere Jugendliche für den Tourismus zu begeistern“, sagt Doris Litschauer. Sie leitet die AMS-Geschäftsstelle am Hietzinger Kai und betreut Betriebe und Arbeitnehmer im Tourismusbereich. Kürzlich hatte sie eine Runde 15-Jähriger vor sich. Keiner wollte eine Lehre im Hotel oder der Gastronomie in Betracht ziehen. Die Geschichten der Eltern und Großeltern von Sechs-Bett-Zimmern im Saisonbetrieb wirkten noch immer nach.

Bei den älteren Arbeitslosen ist die Branche aufgrund der berufsbedingt flexiblen Arbeitszeiten und Wochenenddienste (55 Prozent der Befragten arbeiten oft samstags, 44 Prozent oft sonntags) genauso unbeliebt. Litschauer hört oft: „Jetzt aber nichts mehr im Tourismus.“ Übrig bliebe eine Gruppe Arbeitssuchender zwischen 26 und 49 Jahren, die zur Hälfte weiblich und großteils schlecht qualifiziert sei und oft einen Migrationshintergrund habe. „Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt dünnt sich in der Mitte sehr stark aus. Und darauf greifen alle Branchen zurück.“

Do&Co-Chef Attila Doğudan appellierte am Freitag an die Branchenvertreter, Diskussionen über die Arbeitsbedingungen im Privaten zu führen. „Wir dürfen uns nicht über die Medien Dinge ausrichten, die der Branche schaden.“ Ganz gelang das an diesem Tag nicht. ÖHV-Chefin Michaela Reitterer, die das Boutiquehotel Stadthalle betreibt, betonte die Notwendigkeit flexibler Wochenenddienste: „Niemand möchte samstags eine Stunde auf sein Schnitzel warten.“ Vida-Chef Berend Tusch fragte als Antwort trocken, ob immer derselbe Kollege das Schnitzel bringen müsse. „Es gibt Dienstpläne, und es muss die Möglichkeit geben, sich daran zu halten.“ Womit man wieder beim Ausgangspunkt war. Reitterer: „Ich kann nur mehr Mitarbeiter einstellen und arbeiten lassen, wenn ich nicht dauernd lese, wie schlecht die Arbeit im Hotel ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2017)

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