UNO-Tribunal verurteilt Ex-General Mladic wegen Völkermord

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BOSNIA-SERBIA-WARCRIMES-TRIALAPA/AFP/ELVIS BARUKCIC
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Der ehemalige Armeechef der bosnischen Serben muss lebenslänglich in Haft. Er wurde in zehn der elf Anklagepunkte für schuldig befunden. Der 75-Jährige legt Berufung ein.

Das UN-Kriegsverbrechertribunal hat den ehemaligen Armeechef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter in Den Haag sprachen ihn am Mittwoch unter anderem wegen des Völkermords von Srebrenica und der jahrelangen Belagerung Sarajewos schuldig. "Die Verbrechen gehören zu den abscheulichsten, die die Menschheit je gesehen hat, darunter Völkermord und Ausrottung als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte der Richter Alphons Orie. Mladic hörte den Urteilsspruch selbst nicht im Gerichtssaal, weil er nach einer Beschimpfung des Gerichts während der Urteilsbegründung des Saales verwiesen worden war.

Der 75-Jährige legte wenig später Berufung ein. Das teilten sein Verteidiger sowie der Sohn am Mittwoch in Den Haag mit, wie die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtete. Das Gericht habe die Tatsachen falsch bewertet, erklärte der Sohn Darko Mladic: "Gerechtigkeit wurde durch Propaganda ersetzt." 

Der von seinen Gegnern als "Schlächter von Bosnien" bezeichnete Mladic wird in seiner Heimat von vielen Landsleuten wie ein Nationalheld verehrt. Er musste sich in insgesamt elf Anklagepunkten vor dem UN-Tribunal verantworten, in zehn Punkten sprach ihn das Gericht schuldig. Der Angeklagte sei Mitglied eines "kriminellen Unternehmens" gewesen, das die "Säuberung" Bosniens von Nicht-Serben betrieben habe. Mladic habe die über dreijährige Belagerung von Sarajewo, bei der durch Granatbeschuss und Heckenschützen 11.000 Zivilisten getötet wurden, persönlich geleitet, erklärte der Richter. Beim Völkermord in Srebrenica habe Mladic eine tragende Rolle gespielt und die dortige muslimische Bevölkerung vernichten wollen.

Eklat bei der Urteilsverkündung

Der kleine Ort Srebrenica nahe der serbischen Grenze wurde unter dem Schutz von gut 300 niederländischen Blauhelm-Soldaten zunächst Zufluchtsstätte für Zehntausende bosnische Muslime. Im Juli 1995 nahmen bosnisch-serbische Soldaten unter Führung von Mladic Srebrenica ein und töteten in den folgenden Tagen rund 8000 muslimische Jungen und Männer. Das Massaker, das vom UN-Tribunal als Völkermord eingestuft wurde und als schlimmstes Kriegsverbrechen in Europa sei dem Zweiten Weltkrieg gilt, war der Auslöser für die Luftangriffe des Westens, die den Bosnien-Krieg schließlich nach dreieinhalb Jahren beendeten. Insgesamt wurden im Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 rund 100.000 Menschen getötet.

Während der Urteilsverkündung kam es zum Eklat. Als der Richter nach einer Unterbrechung für eine ärztliche Untersuchung Mladics den Antrag der Verteidigung abwies, die Urteilsverkündung aus gesundheitlichen Gründen zu vertagen, rastete Mladic aus. "Alles Lüge", schrie er: "Ihr seid alle Lügner." Vor der Unterbrechung hatte er den Ausführungen des Richters teils mit versteinerter Mine und Kopfschütteln, teils mit einem Grinsen im Gesicht zugehört.

"Mladic ist der Inbegriff des Bösen"

Der Prozess in Den Haag dauerte auch wegen der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten über vier Jahre. Mladic erlitt mehrere Schlaganfälle, seine Anwälte versuchten vergeblich, wegen gesundheitlicher Gründe die Verkündung des Urteils hinauszuzögern. Der Fall Mladic ist der letzte des 1991 eingerichteten Kriegsverbrechertribunals. Mladic war wie der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic 1995 angeklagt worden, konnte aber erst 2011 festgenommen werden. Im März 2016 war Karadzic unter anderem wegen des Massakers von Srebrenica zu 40 Jahren Haft verurteilt worden.

Das Haager Tribunal ist nicht unumstritten. Den Staatsanwälten wurde in der Vergangenheit immer wieder Parteilichkeit vorgeworfen, da sie hauptsächlich Serben anklagten. Das Gericht hat über 80 Urteile gesprochen, davon über 60 gegen Serben.

Die Reaktionen auf das Urteil waren daher gemischt: So zeigte sich Mladen Ivanic, serbisches Mitglied der dreiköpfigen bosnischen Staatsführung, über das Urteil enttäuscht. "Das Haager Tribunal hat anstellte des Vertrauens das Misstrauen gestärkt. Anstellte von Versöhnung wird es zu neuen politischen Konflikten führen", erläuterte Ivanic.

"Die Opfer können nie befriedigt werden", stellte hingegen Munira Subasic, Leiterin des Verbandes "Mütter von Srebrenica", fest. Der Verband will nach den Worten von Subasic nun auch Serbien und die bosnische Republika Srpska für "alles, woran sie beteiligt waren", verklagen. Der UN-Menschenrechtskommissar begrüßte die Verurteilung. "Mladic ist der Inbegriff des Bösen und die Verurteilung von Mladic ist der Inbegriff für internationale Gerechtigkeit", sagte Said Raad al-Hussein am Mittwoch in Genf.

Völkermord - das schlimmste denkbare Verbrechen

Völkermord ist der Rechtsbegriff für das schlimmste denkbare Verbrechen - Handlungen mit dem Ziel, ein Volk, eine Ethnie oder auch eine Glaubensgemeinschaft zu vernichten. Das Massaker von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 Schätzungen zufolge etwa 8.000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden, stufen Strafrechtler als ein solches Verbrechen ein. Mladic wird die Mitverantwortung für das Massaker zur Last gelegt.

Der Begriff Völkermord ist auch unter der Bezeichnung "Genozid" geläufig. "Genozid" ist aus dem griechischen "genos" (Herkunft) und dem lateinischen "caedere" (töten) zusammengesetzt. Der jüdische Anwalt Raphael Lemkin prägte das Wort im Jahr 1944, um eine Grundlage für die Bestrafung der von den Nazis begangenen Verbrechen zu legen.

Völkermord umfasst nach Artikel 2 der UN-Konvention 260 aus dem Jahr 1948 Handlungen gegen Mitglieder einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe, die in der Absicht begangen werden, die Gruppe ganz oder zum Teil auszulöschen. Mit der Konvention 260 wurde der Völkermord international geächtet. Zu den Straftatbeständen in der Völkermordkonvention gehören das Töten, das Zufügen ernsthafter körperlicher oder geistiger Schäden, das Auferlegen von Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung einer Gruppe abzielen, sowie die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung und Verschleppung von Kindern.

(APA)

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