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Nordkorea bricht Waffenstillstand

Der Weg in die Freiheit: Ein Video dokumentiert die Flucht eines nordkoreanischen Soldaten nach Südkorea.
Der Weg in die Freiheit: Ein Video dokumentiert die Flucht eines nordkoreanischen Soldaten nach Südkorea.(c) APA/AFP/UNITED NATIONS COMMAND/H (HANDOUT)
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Nordkoreanische Soldaten versuchten, die Flucht eines Kameraden nach Südkorea zu verhindern. Bei der Verfolgungsjagd überschritt einer der Militärs die heikle Demarkationslinie.

Tokio/Panmunjom.13. November, später Nachmittag, nach 15 Uhr: In der beginnenden Dämmerung nähert sich auf Nordkoreas Seite ein russischer Militärjeep mit eingeschaltetem Licht der entmilitarisierten Zone zu Südkorea. Ein Uniformierter lenkt das Militärfahrzeug von der Straße in ein schützendes Buschgelände, wo es stecken bleibt und der Soldat in Richtung Grenze läuft. Dabei wird er von nordkoreanischen Grenzposten gejagt und aus Maschinenpistolen beschossen. Ein Verfolger überschreitet die Demarkationslinie. Nach wenigen Minuten – und auf Zuruf der Kameraden – kehrt er zurück, schaut sich aber schnell um, ob seine Grenzverletzung beobachtet wurde.

Diese wurde beobachtet. Ein am Mittwoch vom UNO-Kommando der Vereinten Nationen (UNC) veröffentlichtes Video einer Überwachungskamera soll die finale Republikflucht des Volksarmisten dokumentieren. Deutlich zu erkennen ist darauf auch, wie der schwer verletzte Soldat hinter einem Mauervorsprung zusammenbricht. Drei südkoreanische Grenzposten robben heran und ziehen den Überläufer auf die südliche Grenzseite in Sicherheit.

 

Parasiten im Körper

Später wird er in ein Militärhospital abtransportiert und zwei Mal notoperiert. Sein Zustand wird als stabil beschrieben. Aus seinem Körper entfernten die Ärzte neben den Geschossen auch bis zu 27 Zentimeter lange Parasiten, die auf einen äußerst schlechten Gesundheits- und Ernährungszustand der Soldaten schließen lassen.

Vernehmungsfähig ist der Flüchtling frühestens in vier Tagen. „Der Soldat ist wieder bei Bewusstsein und hat darum gebeten, Fernsehen und Filme zu schauen“, sagte ein Regierungsvertreter in Seoul. Damit er nicht von Angst und Alpträumen geplagt wird, haben die Behörden das Krankenzimmer „für sein psychisches Wohlergehen“ mit südkoreanischen Flaggen dekoriert. Das soll ihm signalisieren, dass die Flucht in die Freiheit gelungen ist.

Knapp sieben Minuten dauert das brisante Video der Überwachungskamera über einen der schwerwiegendsten Grenzzwischenfälle seit dem Ende des Korea-Krieges. Es ist nicht die erste Republikflucht eines nordkoreanischen Militärs, aber direkt am offiziellen Kontrollpunkt Panmunjom ist eine solche Verfolgungsjagd mit Gebrauch von Schusswaffen noch nicht beobachtet worden. Der von beiden Seiten ausgebaute Grenzübergang ist die einzige Stelle, wo sich Militär aus Nord und Süd auf Sichtweite gegenüber stehen.

Das UNC spricht von einer schwerwiegenden Grenzverletzung und einem Bruch des 1953 ausgehandelten Waffenstillstands. UNC-Sprecher Chad Carroll sagte gegenüber Journalisten, dies würde eine „gründliche“ Untersuchung eindeutig belegen. Man habe die Gegenseite zu einem Treffen aufgefordert, um „unsere Untersuchung zu besprechen und derartige Verletzungen an der gefährlichsten Grenze der Welt künftig zu verhindern“. Das Überschreiten der Demarkationslinie und selbst das Betreten der 248 Kilometer langen und auf jeder Seite ungefähr zwei Kilometer breiten „Demilitarisierten Zone“ (DMZ) am 38. Breitengrad ist ohne Genehmigung der Waffenstillstandskommission untersagt.

Nordkorea schweigt bisher. Bei ähnlichen Fällen hatte Pjöngjang oft behauptet, der Überläufer habe nicht sein Land verraten, sondern sei von südkoreanischen Militäragenten gekidnappt worden. Der Videobeweis jedoch erschwert eine solche Darstellung. Die bisher letzte bekannt gewordene Flucht hatte sich am 6. Oktober 2012 ereignet, als ein 18-Jähriger nordkoreanischer Gefreiter die DMZ in einer äußerst unübersichtlichen Gegend überwand, ohne überhaupt entdeckt zu werden. Er musste erst an das Tor einer südkoreanischen Kaserne klopfen, um auf sich aufmerksam zu machen.

 

Neue US-Sanktionen

Die USA haben indes weitere Sanktionen gegen nordkoreanische und chinesische Firmen verhängt. Ihnen wird vorgeworfen, die Atombeschränkungen umgangen und das Land durch den Handel mit Rohstoffen unterstützt zu haben. Auf die Liste gesetzt wurden auch die Schifffahrtsverwaltung und das Verkehrsministerium Nordkoreas.

AUF EINEN BLICK

Die demilitarisierte Zone (DMZ) teilt die koreanische Halbinsel in Nord- und Südkorea. Sie wurde nach dem Koreakrieg im Jahre 1953 eingerichtet. In ihrer Mitte verläuft die Militärische Demarkationslinie (MDL), de facto die Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Die DMZ wird von der aus Vertretern beider Seiten bestehenden Waffenstillstandskommission verwaltet. Das Betreten der DMZ ist beiden Seiten untersagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)