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Vom Wesen des Genies oder: Wie hätten wir's denn gern?

Provokant? Und wenn schon! „Hommage an Beethoven“.
Provokant? Und wenn schon! „Hommage an Beethoven“.(c) Wolfgang Freitag
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Wiens kleine Beethoven-Empörung – und worüber sich zu empören wirklich lohnt.

Auf seiner vor drei Jahren gestarteten Beethoven-Erregungs-Tournee hat Markus Lüpertz, versierter Lieferant bildplastischer Empörungsvorlagen, nun also Wien die Künstlerehre gegeben: Nach Bonn (2014) und Leipzig (2016) residiert somit endlich auch an der Donau ein Abguss seiner „Hommage an Beethoven“ und sorgt verlässlich wie an allen anderen der genannten Orte für Irritationen, wenn nicht gar verletzte Seelen.

Wenig verwunderlich, schließlich findet sich das Bronzewerk direkt vor jenes Beethoven-Monument platziert, das, 1880 nach einem Entwurf Caspar von Zumbuschs errichtet, auf stimmigste Weise unser wohligstes Vermuten über Wesen und Wirkkraft des Genies dreidimensional ausstaffiert. Ja, so hätten wir unseren Beethoven halt gern, trotzig und doch würdevoll, leidenschaftlich, gedankenversunken, vor allem allerdings erhaben bis in die kleinste Falte seines Paletots. Angesichts dessen ginge selbst sehr viel Gewohnteres als Lüpertz' Knetmassen-Exerzitien noch als Provokation durch.

Andererseits: Haben unsere Zeiten, doch ein wenig aufgeklärter als jene des geniekulttrunkenen 19. Jahrhunderts, Denkmäler dieser Art überhaupt nötig – oder auch nur einen zeitgenössischen Quasi-Kommentar dazu? Was es zur Zweifelhaftigkeit heroisierender Vergangenheitsbeschwörungen von ehedem zu sagen oder womöglich zu malen und zu bilden gibt, ist längst gesagt, gemalt, gebildet; alles andere ist vergebner Platz und – im besten Falle – vergebne Künstlerliebesmüh.

Bis mindestens ins Beethoven-Jahr 2020 soll uns Lüpertz' Dauerleihgabe durch den Alltag an der Lothringerstraße begleiten. Bald danach wird uns dann ein Investor ziemlich genau vis-à-vis deutlich vor Augen führen, was wirklich der Empörung wert ist: das überflüssigste Hochhaus Wiens, jenes am Ort des heutigen Hotels Intercontinental. Aber das ist eine andere Geschichte.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2017)

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