Rhetorik: Zuerst die Bilder, dann die Moral

Praktische Übungen sind wesentlicher Teil der meisten Rhetorikseminare.
Praktische Übungen sind wesentlicher Teil der meisten Rhetorikseminare.(c) Akademie Media
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Botschaften verständlich kommunizieren, andere zu überzeugen und zu motivieren, ist in vielen Situationen und Positionen entscheidend. Der Kunst des Redens widmen sich zahlreiche Seminare.

Es gibt Jobs, da kommt es auf jedes Wort an: US-Präsident ist einer davon, und auch die Aussagen der Chefs von Zentralbanken haben Gewicht. Letztere können mit unbedachter Wortwahl Turbulenzen an den Kapitalmärkten auslösen, Ersterer möglicherweise einen Krieg. Selbst wenn die eigene Rhetorik keine geopolitischen Auswirkungen hat, kann die Kunst des Redens helfen, etwa um Bewerbungsgespräche, Präsentationen oder private Konflikte zu meistern. Von der „Wiederentdeckung des Wortes“ spricht Claudius Schlenck, Rhetoriktrainer am BFI in Tirol: „Das Potenzial der Sprache wird schon seit geraumer Zeit nicht mehr wirklich genutzt, wer diese aber beherrscht, ist sehr leicht in der Lage, Menschen jeden Alters zu begeistern“, sagt er. Denn jeder höre gern zu, wenn die Sprache fesselt. In Rhetorikseminaren werden nicht nur Aufbau und Dramaturgie einer Rede gelehrt, bei den Inhalten finden sich zumeist auch Körperarbeit, aktives Zuhören und nonverbale Kommunikation. „Zur Rhetorik gehört auch die Kunst der Frage, und das Fragen setzt ein engagiertes Zuhören voraus“, weiß Schlenck. Am BFI gibt es zahlreiche Seminare zum Thema. In Tirol etwa steht der zweitägige Kurs „Kommunikations- und Rhetoriktraining – Das 1x1 der Kommunikation“ in Schwaz, Kufstein oder Imst auf dem Programm. In Wels in Oberösterreich wird „Rhetorik intensiv – Ihre Überzeugungskraft stärken“ angeboten.

Aktives Zuhören

Dass Reden und Zuhören zusammengehören, bestätigt Astrid Russ, die am Wifi Wien unterrichtet. „Es kommt auch immer darauf an, wie das Gegenüber die Botschaft hören will. Denn wahr ist für den anderen nur das, was er sich als wahr herausnimmt.“ Russ weist darauf hin, dass das menschliche Gehirn durch Sprache gesteuert wird und Botschaften vor allem dann ankommen, wenn sie im Gehirn als „gefährlich oder interessant“ eingestuft werden. Es gelte daher die Sprache des Empfängers zu erlernen. Russ ist Trainerin im Rahmen der Rhetorik-Akademie in Wien, in der neun Module angeboten werden, darüber hinaus bietet das Wifi Wien etwa auch „Rhetorik und Verhalten“ oder „Die Kunst des freien Sprechens“ an.

Dass sich die meisten über Jahre hinweg eine falsche Sprache und Körpersprache angewöhnt hätten, betont Dolf Maurer von der Sprecher-Akademie in Lannach (Steiermark). Diese bietet zweieinhalbtägige Seminare in Wien, Linz und Graz an, weitere in Innsbruck sind geplant. Laut Maurer steht „die Rückbesinnung auf das Authentische“ im Mittelpunkt. „Viele glauben, sich bei einer Rede verstellen zu müssen.“ Bei den Seminaren gehe es daher darum, möglichst oft vor der Kamera zu stehen und die Unterschiede zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung zu erfahren und im Idealfall zu beseitigen. Kommunikationstheorie gibt es bei diesen Seminaren nur „als Handout zum Nachlesen“, sagt Maurer.

Testen, wie man selbst auf andere wirkt, ist auch bei den Seminaren von Peter Czak (Czak Führungstraining) ein wesentlicher Bestandteil. „Jeder Auftritt wird gleich bewertet“, erklärt der Trainer, der sich auf die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften spezialisiert hat. Czak betont, dass eine Rede maximal drei wesentliche Informationen enthalten soll und dass die Sprache so simpel und klar wie möglich sein muss. Schachtelsätze sind beim Reden ebenso verpönt wie eine schwache Wortwahl. Auf „könnte, dürfen oder würden“ sollte verzichtet werden, der Konjunktiv ist laut Czak generell zu eliminieren. „Vermeiden Sie negative Wortwahl“, erklärt Czak, durch aktive Formulierungen signalisiere der Redner, „dass er die Dinge im Griff hat“. Eine der „Todsünden“ beim Reden sei es, wenn die Sprache zu abstrakt oder theoretisch ist. „Sprechen Sie in Bildern“, rät Czak, „das funktioniert seit über 2000 Jahren.“ Als Beispiel nennt er die Geschichte vom Heiligen Martin: „Zuerst kommen deutliche Bilder, dann erst die Moral.“

Verräterische Körpersprache

Der Trainer betont, dass es nicht nur auf die Rhetorik selbst ankommt, sondern auch Auftreten – also Dresscode und Körpersprache – einen wesentlichen Einfluss auf das Gegenüber haben. Aus Angst zeigten viele beim Reden oft Unterwerfungsgesten, eine aufrechte, offene Haltung mache bereits einen Unterschied. Astrid Russ erklärt: „Oft passen der Inhalt unserer Botschaft und die eingesetzte Körpersprache nicht zusammen. Das Gegenüber nimmt jedoch die Körpersprache wesentlich deutlicher wahr als den Inhalt.“ Schließlich nähmen wir 70 Prozent der Reize mit unseren Augen auf. Um die Thematik der Körpersprache zu demonstrieren, arbeiten die Trainer mit Videoaufnahmen, und das Feedback aus der Gruppe ergänzt den fachlichen Input der Kursleiter. Und Trainerin Russ warnt augenzwinkernd: „Rhetorik kann Ihr Denken, Ihren Selbstwert und Ihr Leben verändern.“

Web: www.wifiwien.at, www.bfi.at
www.sprecher-akademie.at,www.czak.at

Auf einen Blick

Überzeugende Rhetorik wird in vielen Situationen benötigt. Einschlägige Kurse können helfen, die eigenen Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu verbessern.

Die wichtigsten Tipps der Experten:
► Klare, einfache Sprache, „schwache“ Worte und Konjunktiv vermeiden,
► Selbst aktiv zuhören und auf die Zielgruppe eingehen
► Körpersprache und selbstsicheres Auftreten nicht vernachlässigen
► Nicht verstellen, authentisch bleiben

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2017)

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