Leitartikel

Eine blassblaue Wechselregierung

Van der Bellens Fauxpas: Der Bundespräsident wollte schon zu Sekt und Brötchen laden, da fiel ihm auf, dass die künftigen Minister noch nicht unterschrieben hatten.
Van der Bellens Fauxpas: Der Bundespräsident wollte schon zu Sekt und Brötchen laden, da fiel ihm auf, dass die künftigen Minister noch nicht unterschrieben hatten. (c) APA/ROBERT JAEGER
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Vom Präsidenten über Brüssel bis zur Opposition: Diese Regierung hat wenig Widerstand zu fürchten. Wenn, dann nur die Feinde in den eigenen Reihen.

Alexander Van der Bellen war in seinem Element: Witzig, locker, authentisch und ein bisschen schusselig vollzog er die Angelobung der dritten schwarz-blauen Regierung der Zweiten Republik. Er verzichtete auf den sauertöpfischen Gesichtsausdruck, den einst Thomas Klestil einstudiert hatte und der einem einst gestandenen Linken wie Van der Bellen leichtgefallen wäre. Er vergaß ob der guten Stimmung und Plauderei beinahe, Heinz-Christian Strache anzugeloben und die Runde offiziell unterschreiben zu lassen, so eilig hatte er es, zum noch informelleren Teil mit Sekt und Brötchen zu kommen. Das charakterisiert den Blick auf die Regierung von Sebastian Kurz durchaus treffend, die das Attribut „Wende“ erst gar nicht anstrebt, sondern wohl als Wechselregierung antritt.

Viel war in vergangenen Wahlkämpfen von Schwarz-Blau, dem möglichen Verhindern durch den Präsidenten und lauten Protesten die Rede gewesen. Allein, die vorweihnachtliche Angelobung und verhaltene nationale und de facto nicht existente internationale Proteste wirkten wie politische Normalität. Das mag mit der Wirkungslosigkeit der EU-Sanktionen und Donnerstagsdemos bei der Wende Wolfgang Schüssels und Jörg Haiders 2000 zu tun haben. Das mag mit den Erfolgen mehr oder weniger rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa, speziell in Osteuropa zu tun haben. Das hat ganz sicher mit dem Umstand zu tun, dass sich die FPÖ in der Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung von entscheidenden Themen wie einem möglichen EU-Austritt verabschiedet hat.

Das ist gut so. Weniger gut ist die Vorsicht der Parteien, den viel zitierten Wunsch und Willen nach Veränderung des Landes, etwa in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen, sachte anzugehen, um niemanden zu überfordern. Das mag einen einfachen Grund haben: Die Freiheitlichen dürfen ihre Wähler, denen sie jahrelang erfolgreich eingeredet haben, die FPÖ sei die neue Sozialdemokratie, nicht vor den Kopf stoßen. Das mag auch an Sebastian Kurz liegen: Der 31-Jährige will vor allem weiterhin eines: Fehler vermeiden.

Das ist strategisch verständlich, leicht werden es die Chefs der Regierungsteams nicht haben. Kurz läuft Gefahr, zwischen den Stühlen zu landen: Auf der einen Seite steht die alte ÖVP – nennen wir sie Platter-ÖVP nach Tirols Landeshauptmann und seinen Fundis, denen die Jungen in Wien mit ihrer Farb- und Personalwahl hörbar suspekt sind, die gegen allzu große Veränderungen sind und Österreichs sonderbaren Föderalismus und die schwarze Bünde-Logik verteidigen. Auf der anderen Seite hatten viele Wähler und Institutionen wie die Industriellenvereinigung oder Thinktanks wie die Agenda Austria eine Revolution der strukturverkrusteten Republik erhofft. Nach Durchsicht des Regierungsprogramms wissen wir: Die Revolution wurde abgeblasen, auch die kleine. Bleiben beide Lager unzufrieden, wird sich Kurz bei den berühmt-berüchtigten Meinungsbildern deutlich schwerer tun. Die im Vergleich zur alten Wende leiseren Demonstranten und selbst ernannten Widerstandskämpfer links der Mitte werden kritisch bleiben. Immerhin hat man ihnen Macht, Jobs und Gehälter genommen.

Für die FPÖ gibt der Verhandlungserfolg bei der Ressortvergabe Grund zur größten Zufriedenheit. Wer die FPÖ kennt, weiß freilich, dass die Ablehnung von Wirtschaftssanktionen, EU-Kommissaren und Freihandelsabkommen weiter vorhanden ist und bei ersten Belastungsproben laut werden wird.

Anders formuliert: Die schwarz-blaue Regierung hat keinen nennenswerten Widerstand im Aus- wie Inland zu fürchten, Brüssel hat andere Sorgen und Problembären, in Österreich müssen sich SPÖ und vor allem Grüne erst wieder finden. Der Feind für Schwarz-Blau droht bis auf Weiteres nur im eigenen Haus zu sein. Diese Zeitung hat sich bei der Umfärbung der Volkspartei von Schwarz auf Türkis entschieden, weiterhin Schwarz als Zuschreibung zu verwenden. Zu offensichtlich erschien uns der Versuch, das alte, dröge Image der Partei mit einem einfachen Designtrick zu ändern. Mit der heutigen Angelobung von Schwarz-Blau III werden wir auch die Farbe Türkis verwenden. Schwarz dürfte es ja auch weiterhin geben.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2017)

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