#metoo: Schweden und der angebliche "Vertragsschluss" vor dem Sex

Wenn anonyme Vorwürfe folgenschwer sein können
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Die schwedische Regierung hat einen Gesetzesvorschlag präsentiert, der die Freiwilligkeit einer sexuellen Handlung als Grundprinzip festschreibt. Das hat für heftige Diskussionen gesorgt.

In der Folge der "#metoo"-Kampagne um behauptete sexuelle Belästigungen diskutieren mehrere skandinavische Länder über eine noch nie dagewesene verschärfte Gesetzgebung gegen mögliche Sexualstraftaten. Spitzenreiter dabei ist Schweden: Die dortige rot-grüne Regierung in Stockholm will bis Juli per Gesetz festlegen, dass man künftig aktiv um eine ausdrückliche Erlaubnis für Sex bitten muss. Sonst sollen Verurteilungen wegen Vergewaltigung drohen, auch ohne dass es zu Zwang, Drohungen oder sonstigen Formen der Gewalt gekommen wäre.

"Sex muss freiwillig sein. Und ist er nicht freiwillig, so ist er illegal", sagte Regierungschef Stefan Löfven in einer Weihnachtsrede. Die Pflicht zum Einholen der Erlaubnis - "Einverständnisregel" - solle sich nicht nur an Männer in heterosexuellen Beziehungen richten, sondern für Alle gelten, also auch bei homosexuellen Kontakten und für Frauen; überdies auch unabhängig davon, ob es sich um einen "Erstkontakt" unter bisher Fremden oder langjährige Beziehungen inklusive Ehen handelt.

Stellungnahme der schwedischen Botschaft

Der Unterschied zur bisherigen Gesetzgebung besteht darin, dass zukünftig jede sexuelle Handlung, die nicht im gegenseitigen Einverständnis geschieht, strafbar wird. Bislang setzt der Tatbestand der Vergewaltigung die Anwendung von Gewalt oder Bedrohungen voraus. Zudem wird die Mindeststrafe für schwere Vergewaltigung sowie schwere Vergewaltigung von Kindern von vier auf fünf Jahre Gefängnis erhöht.

Die aktuelle Gesetzgebung sieht vor, dass Opfer von sexuellen Übergriffen ihren Widerstand durch Worte oder Handlungen deutlich zum Ausdruck gebracht haben müssen.

Die nun vorgeschlagene Gesetzgebung möchte die Opfer von dieser Verantwortung befreien und stattdessen die Angeklagten stärker in die Pflicht nehmen: Wie haben sich die Angeklagten von der Freiwilligkeit ihrer Sexualpartner/-innen überzeugt? Passivität soll damit nicht länger als stilles Einverständnis interpretiert werden können.

Die Unschuldsvermutung gilt selbstverständlich weiterhin. Entgegen vielen Medienberichten ist das Einholen einer schriftlichen Einverständniserklärung nicht erforderlich.

>>> Zur Seite der schwedischen Botschaft in Berlin

Faktisch surreale Ergebnisse

Nach bisherigen Überlegungen soll die Zustimmung auch mündlich erteilt werden können. Allerdings deuten Kritiker, die es dabei übrigens nicht leicht haben, schon jetzt an, dass man, um sich nicht im Streitfall (und vielleicht erst Jahre später) grundlosen Beschuldigungen ausgesetzt zu sehen, besser auf Nummer sicher gehen und sich was Schriftliches geben sollte. Überhaupt werde die geplante Regel, die von allen Parteien unterstützt wird, letztlich dadurch faktisch surreale Ergebnisse in der Praxis zeitigen.

In Norwegen fordern Opposition und Menschenrechtsinitiativen ein ähnliches Gesetz. Ein Vorschlag sei aber trotz positiver Anhörungen auf Eis gelegt worden, kritisierte Amnesty Norge. "Die Regierung hat wenig Interesse gezeigt, ernsthaft gegen Vergewaltigung vorzugehen", zitierte die norwegische Nachrichtenagentur NTB eine Sprecherin.

Auch in Dänemark fordern NGOs und einige Parteien Gesetze, die Frauen mehr Schutz bzw. Macht einräumen. Viele Frauen zeigten Belästigung nicht an, weil sie nicht glaubten, dass sie geahndet werde. Man müsse aber vorsichtig sein, dass ein solcher Vorschlag nicht lächerlich gemacht werde, sagte die justizpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten: "Gegner werden behaupten, dass man jetzt eine Unterschrift von seiner Geliebten braucht, bevor man das Licht ausknipst."

Jobverluste nach anonymen Vorwürfen und Kritik

In Schweden tobt die #meetoo-Kampagne heftiger und folgenschwerer als anderswo. Jeden Tag behaupten hunderte Personen, meist Frauen, in sozialen Medien, aber auch etwa in Zeitungen oder Radio, sie seien missbraucht oder vergewaltigt worden. Oft habe Alkohol eine Rolle gespielt, sie seien sonst irgendwie "wehrlos" oder psychisch nicht imstande gewesen, "nein" zu sagen und sich zu wehren. Den Mut, aufzubegehren, finde man oft erst lange danach.

Das Problem indes ist, dass in Folge solcher Vorwürfe, die häufig anonym veröffentlicht werden, bereits nicht wenige Beschuldigte ihren Job verloren, weil sie plötzlich als "untragbar" galten. Auch ist die öffentliche Kritik an diesem Phänomen eher leise, vor allem kommt sie aus Juristenkreisen. Mindestens ein männlicher Print-Journalist wurde sogar entlassen, weil er die #meetoo-Welle samt ihren Auswirkungen mit faschistischen oder stalinistischen Säuberungen gleichgesetzt hatte.

(dpa/red.)

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