Die Regierungschefin sieht sich selbst fest im Sattel. Ihr Handlungsspielraum ist jedoch gering, wie die Neubesetzungen zeigen.
London. Die britische Premierministerin, Theresa May, beginnt das neue Jahr mit einer politischen Offensive. Bereits heute, Montag, wird sie die Nachbesetzung ihres vor Weihnachten entlassenen Stellvertreters Damian Green mit einer Regierungsumbildung verknüpfen. „Ich werde einige Änderungen vornehmen“, kündigte sie gestern im traditionellen BBC-Interview zum Jahresauftakt an.
Zugleich trat sie Spekulationen über ihre eigene politische Zukunft entschieden entgegen: „Ich bin nicht jemand, der sich aus der Verantwortung stiehlt.“ Sie werde so lange dienen, wie die Leute es wollen, sagte May.
Die geplante Neubesetzung des Kabinetts wird allerdings einmal mehr den geringen Handlungsspielraum der Premierministerin demonstrieren. Innenministerin Amber Rudd und Schatzkanzler Philip Hammond als Proponenten eines sanften Brexit sind ebenso unantastbar wie Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis, die einen harten Bruch wollen. Damit bleibt das Gleichgewicht in der Regierung gewahrt, zumindest nach außen.
Wo sind die jungen Talente?
Es ist freilich kein Geheimnis, dass Davis zuletzt durch neue Kompetenzvergaben geschwächt wurde und die Verhandlungsführung mit Brüssel an den May-Mitarbeiter Oliver Robbins verloren hat, während die Premierministerin erneut versucht hat, Johnson loszuwerden. Allerdings ohne Erfolg. Umgekehrt sind die Verfechter eines harten Brexit in ihrem Bemühen gescheitert, Hammond zu entfernen. Sie werfen dem Schatzkanzler „Sabotage“ des EU-Austritts vor.
Nicht nur will er lange Übergangsfristen für den Ausstieg, zuletzt hat er sogar die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass Großbritannien nach dem Brexit über einen bilateralen Vertrag der EU-Zollunion wieder beitreten könnte. Die Regierungsumbildung wird sich daher auf weniger prominente Posten beschränken.
May könnte mit der Entlassung von Erziehungsministerin Justine Greening, Transportminister Chris Grayling, Wirtschaftsminister Greg Clark und Parlamentsministerin Andrea Leadsom versuchen, einiges an Ballast loszuwerden. Medienberichten zufolge gelten einige von ihnen in den Augen der Regierungschefin als „altes Gerümpel“.
Spitäler akut überlastet
Allerdings ist derzeit auch der Ansturm junger Talente überschaubar: Der als aussichtsreichste Kandidat für eine Beförderung betrachtete Gesundheitsminister Jeremy Hunt muss erst die traditionelle Winterkrise des staatlichen Gesundheitswesens überstehen. Denn zuletzt wurden wegen akuter Überlastung alle Spitäler angewiesen, sämtliche „nicht dringende“ Operationen bis Ende Jänner zu verschieben. (gar)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2018)