Tourismus: Ein Rekordjahr, dem keiner traut

Europas Stränden dürften diesen Sommer wieder voll werden – sofern keine Krise dazwischenkommt.
Europas Stränden dürften diesen Sommer wieder voll werden – sofern keine Krise dazwischenkommt.APA/AFP/DPA/RALF HIRSCHBERGER
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Die Österreicher sind Früh- und Vielbucher. Dennoch trauen die Reiseveranstalter dem Frieden nicht. Zu oft wurden sie von Krisen überrascht. Die letzte hieß Niki.

Wien. Wer Donnerstagfrüh im Wiener Prater war, sah Massen, die sich in Richtung Ferienmesse schoben. Massen, die nicht den Eindruck erweckten, als ob sie die Insolvenz der Fluglinien Air Berlin und Niki, geopolitische Krisen oder Kriege in Nahost von ihrem Sommerurlaub abhalten könnten.

Zwar meiden 80 Prozent der Österreicher bestimmte Auslandsdestinationen. Aber das macht nichts. 88 Prozent wollen 2018 verreisen. 81 Prozent bis zu drei Mal. Das Urlaubsbudget ist höher als im Vorjahr. Und wenn manche Länder als Destination ausfallen, hilft das Europa, der Kreuzfahrtbranche und Österreich. Das alles zeigt eine aktuelle Ruefa-Umfrage zum Start der Wiener Ferienmesse, die traditionell auch den Start der Sommerbuchungssaison markiert.

Sommer zu einem Drittel ausgebucht

Angesichts der guten Nachrichten war die Stimmung bei der Auftraggeberin, der österreichischen Verkehrsbüro-Gruppe mit ihren 110 Ruefa-Reisebüros, aber verhalten. Auch die Tatsache, dass 2017 alle Umsatzrekorde bei Ruefa gebrochen hat (konkrete Zahlen hat das Unternehmen noch nicht genannt) und ein Drittel der Buchungskontingente für 2018 mit Stand 11. Jänner weg sind, hat nicht recht geholfen. „Früher wären wir euphorisch gewesen“, sagt Ruefa-Geschäftsführer Walter Krahl. Aber heute wisse der leidgeprüfte Tourismuskonzern, „dass von heute auf morgen alles anders sein kann“. In diesem Sinn seien die guten Zahlen nur eine Momentaufnahme. „Die Lust am Urlaub ist da, aber der Tourismus ist ein zartes Pflänzchen, das schnell verwelken kann.“

Jüngst waren es nicht Unruhen und Anschläge in der arabischen Welt, sondern war es die Wirtschaft, die dem Verkehrsbüro einen Strich durch die Rechnung machte. Konkret die Insolvenzen von Niki und ihrer Mutter, Air Berlin. „Der Schaden für die Branche ist groß, weil wir für den Ausfall aufkommen müssen“, sagt Krahl. Ruefa habe dafür gesorgt, dass „Tausende“ betroffene Kunden, die über die Reisebüros Flüge oder Pauschalpakete gebucht hatten, geflogen wurden. „Niemand ist zu Hause geblieben“, betont Krahl. TUI-Österreich-Chefin Lisa Weddig hatte am Dienstag vor Journalisten Ähnliches berichtet. Ihr Reiseveranstalter habe im Dezember in kürzester Zeit 7000Flugplätze umbuchen müssen. Der endgültige Zusammenbruch der Niki erfolgte am 13. Dezember – „das war ein Mittwoch, und am Samstag ist unser Hauptreisetag“, sagte Weddig. Die Lage habe man nur dank guter Kontakte und mit einer langen Vorbereitung auf dieses Worst-Case-Szenarios bewerkstelligen können.

Niki: „Geld ist in den Ofen geworfen“

Schlechter sei es jenen gegangen, die ihre Tickets direkt bei den Billigfluglinien gekauft haben, betont Krahl. „Das Geld ist in den Ofen geworfen.“ Er will in diesem Zusammenhang zwar nicht vom „Comeback des Reisebüros“ sprechen. Ein „langsames Umdenken“ bei der Kundschaft, die es in unruhigen Zeiten schätzt, lässt er aber gelten.

Weddig, die für den Sommer 2018 zurzeit auch ein 25-prozentiges Buchungsplus vermerkt, beruhigt Reisende, die sich vor Preisexplosionen durch den Wegfall des Mitbewerbs fürchten: Die Niki-Pleite wirke sich – noch – nicht aus. Als die Maschinen auf dem Boden blieben, seien die Verträge bereits fertig ausverhandelt gewesen. Spannend werde es für den Sommer 2019. „Da muss neu verhandelt werden.“ Die Änderungen dürften vor allem die Mittelstrecke betreffen, etwa die von Niki stark beflogenen spanischen Destinationen.

Den Wegfall der Konkurrenz am Himmel spüren andere schon heute. So verkündete die AUA erst am Mittwoch, mit 12,9 Millionen Fluggästen – 1,5 Millionen oder fast 13 Prozent mehr als im Jahr davor – alle bisherigen Passagierrekorde gebrochen zu haben. Die Lufthansa-Tochter sprach das Aus bei Air Berlin und Niki zwar selbst nicht in ihrer Aussendung an. Fakt ist aber, dass sie ihr Flugangebot auf hochfrequenten Europa-Strecken ausdehnte und von umgebuchten Flügen profitierte.

Die Lufthansa-Billiglinie Eurowings wiederum nutzt die Situation, um mit massiven Rabatten Kunden zu gewinnen. Bis Ende Jänner werden vier Millionen Tickets mit einem Abschlag von 25 Prozent für 30.000 Flüge angeboten. Auch bei Ruefa macht man aus der Not der Ticketverknappung eine Tugend: Zurzeit gingen Städtereisen mit dem Nachtzug sehr gut, sagt Krahl.

Ihren Lieblingsdestinationen bleiben die Österreicher im Sommer 2018 treu. Das zeigen die Buchungsdaten von TUI und Ruefa. Griechenland, das 2015 und 2016 noch unter der Flüchtlingsroute gelitten hat, ist Nummer eins. Dahinter folgen Spanien, Italien, Kroatien, Deutschland. Die Sorgenkinder im östlichen Mittelmeer wie die Türkei und Ägypten kommen zurück. Wobei Krahl hier wieder zu seiner Metapher greift. „In der Türkei scheint ein zartes Pflänzchen zu erstehen.“ Die Branche hat gelernt, was ein neuer Anschlag damit anrichten kann. (loan/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2018)

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