Aus dem Kinderzimmer in die Uni

Studierende der FH IMC Krems vertiefen sich mit Lego-Bausteinen in ihre Aufgabe.
Studierende der FH IMC Krems vertiefen sich mit Lego-Bausteinen in ihre Aufgabe. (c) FH IMC Krems/Michael Bartz
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Didaktik. Komplexe Themen mit einfachen Mitteln bearbeiten: Lego Serious Play soll beide Gehirnhälften aktivieren und bringt die bekannten Bausteine auch in den Hörsaal.

Kaum jemand in der westlichen Welt hat seine Kindheit ohne sie verbracht: Lego-Steine finden sich in jedem Kinderzimmer. Inzwischen machen die bunten Bauteile auch an den heimischen Hochschulen Karriere. Denn die kleinen Plastikteilchen können etwas, das sonst kaum ein Unterrichtsmaterial kann: unsere rechte und linke Hirnhälfte gleichzeitig aktivieren. „Schon Daniel Kahnemann hat in seinem Buch ,Thinking fast and slow‘ aufgezeigt, welche Aufgaben die linke und die rechte Hirnhälfte wahrnehmen“, erklärt Michael Bartz, Professor im Department of Business an der FH IMC Krems, „und genau da setzt Lego an. Denn während die linke Hälfte grob vereinfacht auf die Situation ,Mammut kommt‘ – Flucht oder Angriff – reagiert, wahnsinnig schnell Entscheidungen trifft und dabei das Bauchgefühl und Daumenregeln einsetzt, ist die rechte für kognitive Aufgaben zuständig und arbeitet langsamer. Aber dafür kann sie auch die Relativitätstheorie entwickeln“, wie Bartz es auf den Punkt bringt. Weshalb bei der Lösung von Problemen in Unternehmen zumeist die rechte Hälfte zum Einsatz kommt. „Wenn wir aber die Finger bewegen, schalten wir auch die linke Hälfte dazu“, erklärt Bartz, was Kahnemann in seiner Arbeit nachweisen konnte.

Goldmünzen und Raumschiffe

Ein Zusammenspiel, das bei der Entwicklung von Lösungen und Strategien für Unternehmen enorm hilfreich sein kann. Das fand Lego-Eigentümer Kjeld Kirk Kristiansen Mitte der 1990er-Jahre heraus, als er selbst gemeinsam mit den Professoren Johan Roos und Bart Victor, die damals am IMD Lausanne arbeiteten, auf der Suche nach einem effektiven Prozess zur innovativen Strategieentwicklung für sein Unternehmen war. Heraus kam dabei Lego Serious Play, quasi als Prozess und Produkt zugleich, das bis heute rechtlich geschützt ist, auch wenn die grundlegenden Prinzipien 2010 unter einer Creative-Commons-Lizenz öffentlich nutzbar gemacht wurden. „Die Kästen mit dem Material darf sich heute jeder kaufen“, freut sich auch Bartz, der an der FH Krems zwei Stück mit insgesamt rund 4000 Teilen in seinen Lehrveranstaltungen einsetzt. Darin befinden sich neben den klassischen Platten und Bausteinen auch Tiere, Figuren, Goldmünzen oder Teile von Raumschiffen.

Mit deren Hilfe lässt Bartz beispielsweise Teilnehmer in Vorlesungen zum Thema Strategieentwicklung im Studiengang Internationales Businessmanagement Stärken- und Schwächenanalysen durchführen – und das mit beeindruckenden Resultaten. „Die Ergebnisse sind reflektierter und detaillierter, weil beide Hirnhälften zum Einsatz kommen“, erklärt Bartz. Und werden darüber hinaus noch schneller erzielt: „Die Teilnehmer wissen ohne viel Erklärung, was zu tun ist.“ Anfangs habe er bei den Kursen noch zwei Coaches hinzugezogen, „aber sie waren arbeitslos“, lacht er. Denn anders als in traditionellen Vorlesungen, in denen die Gefahren, Chancen, Stärken und Schwächen eines Unternehmens beleuchtet werden sollen, blieben Fragen wie „Wie lang haben wir Zeit dafür?“ bis „Was genau sollen wir da tun?“ aus. „Wenn Lego eingesetzt wird, legen die Studierenden einfach los“, so Bartz, „und man kann manchmal richtig sehen, wie dann die rechte Gehirnhälfte dazugeschaltet wird.“

Neben dem Einsatz als didaktisches Mittel können die kleinen, bunten Steine auch in einem anderen Bereich des Hochschulalltags genutzt werden: „Eine Kollegin von mir setzt Lego mittlerweile unterstützend bei den Abschlussprüfungen ein, weil es dabei hilft, Ängste zu nehmen“, berichtet Bartz.

Top Ten im Ideenwettbewerb

Positive Erfahrungen, die sich inzwischen in der österreichischen Bildungslandschaft herumsprechen, wie sich kürzlich auch am BFI Wien zeigte. „Wir haben im Sommer einen großen internationalen Ideenwettbewerb zu neuen Inhalten und Formaten gestartet“, berichtet Thomas Teufl, Geschäftsbereichsleiter Privat- und Firmenkunden, „und dabei 105 Ideen aus Österreich und Deutschland, aber auch den USA oder Indien bekommen.“ Darunter auch die Anregung, Lego Serious Play einzusetzen – was am BFI auf großes Interesse stieß und die Idee auf die Top-Ten-Liste brachte. „Wir haben es bis jetzt noch nicht ausprobiert, aber uns daraufhin damit auseinandergesetzt“, so Teufl. „Ich finde es irrsinnig spannend, und wir wollen es 2018 sicher anbieten.“ Vorstellbar sei das unter anderem bei Themen wie Präsentationstechniken, Mediation und Konfliktmanagement oder auch im Rahmen des neuesten Angebots, eines Diplomlehrgangs zum Thema Innovationsmanagement. „Wir müssen den Menschen in Zeiten, in denen Bildung überall konsumiert werden kann, mehr bieten als den klassischen Classroom“, sagt Teufl, „und da passt Lego Serious Play einfach super dazu. Schließlich waren wir alle einmal Kinder, können durch solche spielerischen Ansätze über den Tellerrand schauen und uns Herausforderungen so stellen, wie wir es als Kinder gemacht haben.“ (SMA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2018)

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