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Heinz Jacob Schumann: Er und sein Jazz haben Auschwitz überlebt

Swing-Gitarrist Heinz Jacob „Coco“ Schumann.
Swing-Gitarrist Heinz Jacob „Coco“ Schumann.(c) APA/AFP/dpa/DANIEL BOCKWOLDT
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Der deutsche Swing-Gitarrist Heinz Jacob „Coco“ Schumann ist im Alter von 93 Jahren in Berlin gestorben.

„Wer den Swing hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren“, sagte er: Seine Musik wurde von den NS-Barbaren ganz richtig als emotionale Gegnerin ihres Regimes verstanden. Sie verfolgten den Jazz als „undeutsch“. Heinz Jakob Schumann (den Spitznamen „Coco“ hatte er von einer französischen Freundin) verfolgten sie nicht nur deshalb, sondern vor allem, weil seine Mutter Jüdin (und sein Vater zum Judentum konvertiert) war.

Lang schaffte er es, dennoch weiter in Berliner Bars und Kellern zu musizieren, doch im März 1943 wurde er denunziert, ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort durfte er paradoxerweise wieder spielen: Die Nazis verwendeten Theresienstadt, um der deutschen Öffentlichkeit und im Ausland den Eindruck zu vermitteln, dass Juden dort human behandelt würden. So sieht man Schumann kurz im Propagandafilm „Theresienstadt – ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“ als Schlagzeuger der 16-köpfigen Band Ghetto Swingers, von der nur drei Mitglieder überlebten. „Nach den Dreharbeiten“, sagte Schumann, „wurden wir gleich nach Auschwitz geschickt, die meisten ins Gas.“

Schumann hatte Glück: Ihn empfing ein Blockältester, der ihn aus den Berliner Jazzclubs kannte, und nahm ihn in die Lagerband auf, mit der er auch an der Todesrampe spielen musste, „La Paloma“ etwa. Dann kam er nach Kaufering, in ein Nebenlager des KZs Dachau. Im April 1945 wurde er auf einen Todesmarsch in Richtung Innsbruck geschickt, dabei befreiten ihn US-Soldaten.

Lang zögerte Coco Schumann, über seine Erlebnisse in der NS-Zeit zu sprechen. Er wollte lieber als Musiker wahrgenommen werden, und das wurde er: So war er der erste deutsche Jazzer, der eine (selbst gebastelte) elektrische Gitarre einsetzte. Er gründete ein Quartett mit dem Geiger Helmut Zacharias, spielte mit vielen Größen des Jazz, etwa Ella Fitzgerald, aber auch als Tanzmusiker auf Bällen und für Schlagersänger.

1986 überredete ihn sein Freund, der Filmemacher Paul Karalus, seine Memoiren zu schreiben (sie erschienen unter dem Titel „Der Ghetto-Swinger“) und als Zeitzeuge in Schulen zu gehen. 2014 feierte er im Rathaus Schöneberg seinen 90. Geburtstag, erzählte wieder, wie ihm die Musik das Leben gerettet hatte. Nun ist er 93-jährig in seiner Heimatstadt Berlin gestorben. [ AFP ] (APA/tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2018)

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