Afghanin erstochen: Gutachten zeigt, Bruder ist deutlich älter

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Ein Gutachten ergab, dass der tatverdächtige, vorgeblich 18-Jährige längst erwachsen ist. Damit wird in dem Mordverfahren in Wien das Erwachsenenstrafrecht angewendet.

Ein im Tatzeitpunkt vorgeblich 18-jähriger gebürtiger Afghane, der am 18. September 2017 in Wien-Favoriten seine jüngere Schwester erstochen haben soll, ist in Wahrheit älter als 21. Das hat ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben, wie Behördensprecherin Christina Ratz am Freitag der Austria Presse Agentur bestätigte.

Damit droht dem Tatverdächtigen, der bis zuletzt seine Altersfeststellung zu verhindern versucht hatte, die volle Härte des Gesetzes. Gegen ihn wird wegen Mordes ermittelt. Sollte er in diese Richtung angeklagt werden - die Entscheidung darüber dürfte in einigen Wochen fallen -, kämen nicht mehr die günstigeren Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) für junge Erwachsene (Personen im Alter zwischen 18 und 21, Anm.) zur Anwendung. Bei Erwachsenen sieht das Strafgesetzbuch für Mord einen Strafrahmen von zehn bis 20 Jahren oder lebenslange Haft vor.

Der Verdächtige hatte seine Schwester am Weg zur Schule abgepasst. Seiner Aussage nach wollte er sie zur Rückkehr in die elterliche Wohnung bewegen. Die vermeintlich 14-Jährige - wie die Obduktion der Leiche ergab, war das Mädchen zum Todeszeitpunkt keinesfalls jünger als 16, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits 17 oder 18 Jahre alt - war Ende Juni 2017 von zu Hause geflüchtet. Dort soll es wiederholt zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Das Mädchen dürfte sich immer stärker gegen die elterlichen Vorgaben - sie durfte beispielsweise ohne Begleitung nicht außer Haus und musste Kopftuch tragen - aufgelehnt haben. Als die Schwester nicht mit sich reden ließ, zog der ältere Bruder in einem Innenhof in der Puchsbaumgasse ein Messer und tötete sie.

Zweifel an Altersangaben von Anfang an

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens bestätigte das Wiener Oberlandesgericht (OLG) die Zulässigkeit einer Altersfeststellung des Verdächtigen. Die in diesem Fall ermittelnden Kriminalisten hatten an dessen vorgeblichem Geburtsdatum - 1. Jänner 1999 - von Anfang an Zweifel. Der Bursch soll äußerlich zumindest wie Mitte 20 wirken. Da er ohne seine Zustimmung keinen ionisierenden Strahlen ausgesetzt werden durfte, sollte sein richtiges Alter im Zuge einer Magnetresonanztomografie geklärt werden.

Als der Verdächtige zu diesem Termin ausgeführt wurde, weigerte er sich allerdings, sich in die Röhre zu legen. Die Untersuchung musste abgeblasen werden. Der Afghane hatte jedoch nicht bedacht, dass er zu Beginn seiner Flucht bereits von den pakistanischen Behörden untersucht worden war, die Zweifel an den von der Familie getätigten Altersangaben hatten. Bei einer Begutachtung im Mai bzw. Juni 2013 in Islamabad kam man anhand von Röntgenbildern zum Schluss, dass der Bursch deutlich älter als von ihm bzw. seinen Eltern behauptet war.

Hilfsbereite pakistanische Behörden

Weil der Mordverdächtige nicht kooperierte, wandte sich die Wiener Justiz an die Behörden in Pakistan, wo man sich hilfsbereit zeigte. Auf schnellstem Weg wurden die Röntgenbilder aus dem Jahr 2013 und weitere Unterlagen nach Wien übermittelt, die eine wesentliche Grundlage für das nunmehr vorliegende Gutachten zum Alter des Afghanen waren.

Hilfreich war für den Sachverständigen auch, dass sich der Afghane in der U-Haft nach einem Sturz leicht an der Hand verletzt und sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben hatte. Ein dabei angefertigtes Röntgenbild ließ sich für die anthropologische Begutachtung des Handwurzelknochen heranziehen.

(APA)

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