Vietnam: Naturschönheit

rice field at the New Year Flowers Festival by the Hoan Kiem lake
rice field at the New Year Flowers Festival by the Hoan Kiem lake(c) REUTERS (KHAM)
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Im Süden tropische Sandstrände und Dschungel, im Norden "Alpen" mit Sommerfrische, im Mekong-Delta schwimmende Märkte: Wunderbares Vietnam.

TIPP

Die Geschichte von der Drachenmutter, die von den Bergen herab in die Küsten­ebene kam, kennt in Vietnam jedes Kind. Die Drachenfrau versetzte die Menschen ­nahe des Deltas des Roten Flusses nicht etwa in Angst und Schrecken. Im Gegenteil – sie machte Jagd auf ein Ungeheuer, das die Menschen bedrohte. ­Ihre wichtigste Waffe: gigantische Steinbrocken, die sie von den nordvietnamesischen Bergen mitgebracht hatte und mit denen sie das Monster schließlich tötete. Die Überreste dieser Steine, so sagt es die Legende, sind bis heute zu sehen – sie ragen als Inseln und Kalksteinfelsen aus dem Meer. Die Bucht, in der die bizarren, zum Teil von Höhlen durchzogenen Kalksteinformationen zu finden sind, trägt den Namen „Halong“, was übersetzt so viel ­bedeutet wie herabsteigender Drache.

Zugegeben, es gibt verschiedene Versionen der Geschichte. Nicht mit Steinen, sondern mit wütenden Schweifhieben sei die Drachenmutter vorgegangen, erzählen andere. Auch ­habe sie kein Ungeheuer bekämpft, sondern böse Eindringlinge aus dem Norden. Wie auch immer – die wirkliche Entstehungsgeschichte der Halong-Bucht ist profaner: Die Felsformationen in der Bucht sind Überreste gewaltiger Muschelkalkbänke, die im Laufe von Jahrmillionen von Wind und Wetter sowie von Wellen und Gezeiten ­geformt wurden. Die Wissenschaft mag Recht haben – doch wer die Halong-Bucht besucht, vielleicht noch im dichten Nebel, der kann sich Drachen und übernatürliche Wesen hier lebhaft vorstellen.

Einst beschaulich, entwickelt sich die Halong-Bucht derzeit im Schweinsgalopp zu einer der touristischen Hauptattraktionen Indochinas. Wer hier eine Boots­tour unternimmt und einige der imposanten Grotten und Höhlen besichtigt, die sich in den aus dem Meer herausragenden Kalkfelsen befinden, darf nicht damit rechnen, allein unterwegs zu sein. Eine ganze Armada von für die Touristen herausgeputzten Dschunken schippert Japaner und Koreaner, Taiwanesen und Chinesen, aber auch Amerikaner sowie immer mehr österreichische und deutsche Besucher durch das einzigartige Kalkfelslabyrinth, das die UNESCO 1994 zum Weltnaturerbe erklärte. So manche Grotte kann in ihrem Inneren mittlerweile mit einer Lightshow aufwarten, die der Disco New Century in Hanoi kaum nachsteht.

„Bis vor fünf Jahren“, sagt Hai Nguyen Xuan, „war Vietnam noch ein Geheimtipp für die Deutschen und Schweizer. Aber jetzt kommen immer mehr.“ Der 51-Jährige, der drei Jahre lang in Ostdeutschland lebte, arbeitet als Reiseleiter für Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. ­Neben der Halong-Bucht und der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi zeigt er vielen seiner Gäste auch die Bergwelt in der Nähe der chinesischen Grenze. Hier ist nicht nur die Landschaft ganz anders als im Delta des Roten Flusses, auch die Kleidung und die Gesichtszüge der Menschen unterscheiden sich deutlich. Im Ort Phong Hai beispielsweise treffen sich Angehörige der „Blumen-Hmong“ jeden Donnerstag zu einem Markt, auf dem Reis und Gemüse ebenso feilgeboten werden wie Fisch und Fleisch.

Etliche Kilometer weiter liegt das Bergstädtchen Sapa, einst ein Fluchtpunkt der Franzosen vor der Hitze Hanois, heute ein beliebter Ausgangsort für Trekkingtouren. „Wir sind hier in den vietnamesischen Alpen“, sagt Hai Nguyen Xuan. Doch statt Tirolern begegnet man hier schwarzen Dzay und roten Dzao sowie weißen und schwarzen Hmong. Diese Bergvölker, die ihre traditionelle Kultur hier frei entfalten können, unterscheiden sich in der Farbe ­ihrer Kleidung sowie in Sitten und Gebräuchen.

Eines haben die Berg-Ethnien ­jedoch gemeinsam: Mindestens die Hälfte der jeweiligen Dorfbevölkerung scheint damit beschäftigt zu sein, den Touristen, die ins Bergland kommen, Blusen, Pullover und handgearbeiteten Schmuck anzudrehen. Eine Wandertour wird oft zum Spießrutenlauf. „Die Hälfte der Menschen hier lebt unter der Armutsgrenze“, weiß Hai Nguyen Xuan. „Sie haben zwar Essen und warme Kleidung, aber ihr Lebensstandard ist nicht mit dem der Vietnamesen zu vergleichen, die in den Ebenen wohnen.“ Doch auch wenn das Gelände hügelig und unwegsam ist – die Einwohner schaffen es, inmitten der Berge Terrassen anzulegen, in denen Reis kultiviert werden kann.

Vietnam ist ein Land zwischen Bergen und Meer, ein Land, das zudem lange gespalten war. Der Süden unterscheidet sich nicht nur klimatisch deutlich vom Norden, wo es zwischen Dezember und April empfindlich kalt werden kann.  „Auch die Lebensweise und die Speisen sind anders“, sagt Hai Nguyen Xuan. „In Zentralvietnam und im Süden isst man deutlich schärfer als im Norden. Und während man sich im Süden meistens Kaffee kocht, trinken die Leute im Norden lieber grünen Tee.“

Eine neu eingeführte Spezialität freilich mundet den Menschen im Norden wie im Süden gleichermaßen, versichert der 51-Jährige: „Thüringer Bratwurst. Die hat mir bei meinem Aufenthalt in Deutschland schon gut geschmeckt, genauso wie Eisbein mit Sauerkraut. Inzwischen gibt es in Hanoi ­einen vietnamesischen Metzger, der früher in Deutschland gelebt hat und nun Thüringer Bratwürste macht und verkauft – und das mit Erfolg“, beteuert Hai.
Die natürliche Grenze zwischen Nord und Süd ist der Wolkenpass. Früher quälten sich die Busse mühsam knapp 500 Höhenmeter auf die Wetterscheide zwischen subtropischem und tropischem Klima hinauf, heute lässt sich die Nord-Süd-Grenze bequem in einem Tunnel durchqueren.

Zu sehen gibt es oben sowieso nur wenig, denn der Wolkenpass, heißt es, liege fast immer in den, erraten: Wolken. Nicht weit vom Pass entfernt findet sich der berühm­te 17. Breitengrad, an dem das Land einst geteilt war. Da Nang, die erste Großstadt südlich des Wolkenpasses, ist der Ort, an dem im März 1965 die ersten US-amerikanischen Kampftruppen landeten. Doch die Amerikaner beherrschten seinerzeit nur die Stadt, das Umland bekamen sie nie unter ihre Kontrolle. Ein Kampf ganz anderer Art findet heute dreißig Kilometer südlich von Da Nang im Ort Hoi An statt, einer sympathischen Kleinstadt mit hervorragender touristischer Infrastruktur. Hier buhlen mehr als fünfzig Billigschneider um die Geldbeutel der ausländischen Besucher: ein Maßanzug für 30 Dollar, fertig bis morgen? Müsste sich machen lassen. Besser beraten ist allerdings, wer Zeit hat, um zwei-, dreimal zur Anprobe zu kommen, und ein paar Dollar mehr ausgibt, um einen höherwertigen Stoff zu bekommen.

Hoi An liegt an den Ufern des Thu-Bon-Flusses, über dessen Seitenarm die 18 Meter lange überdachte japanische Brücke führt, die früher den japanischen und den chinesischen Teil des Ortes verband. Die gesamte Altstadt Hoi Ans ist von Häusern, Tempeln und Versammlungshallen in chinesischem Stil geprägt und steht als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco. Nicht weit von Hoi An entfernt ragen fünf Marmorberge in den Himmel, an deren Füßen sich zahlreiche Steinmetze angesiedelt haben. Die fünf Marmorberge entsprechen den fünf Elementen Wasser, Metall, Holz, Feuer und Erde. Entstanden sind sie, so jedenfalls sagt es eine Legende, aus den Eierschalen eines Drachen. 

Der Indochina-Krieg zwischen 1964 und 1975, der in Euro­pa Vietnamkrieg genannt wurde und in dessen Verlauf die USA dreimal so viele Bomben abwarfen wie im Zweiten Weltkrieg in Europa, wird in Vietnam stets nur der „amerikanische Krieg“ genannt. „Wenn man Zentralvietnam und den Süden besucht, sieht man noch ein paar Spuren von dem Krieg“, sagt Hai Nguyen Xuan, „aber viel ist es nicht mehr, es ist schließlich schon dreißig Jahre her“, beteu­ert Hai. Südlich von Saigon freilich, in Cu Chi, sind die unterirdischen Tunnel, aus denen heraus die Vietcong ihre Angrif­fe durchführten, ­eine Touristenattraktion geworden. Zu erfah­ren, wie nahezu das komplette ­Leben unter die Erde verlagert werden konnte und wie die Spürhunde der Amerikaner mit Chilipulver in die Flucht geschlagen wurden, ist ein Bildungsprogramm der ­eigenen Art.

Nguyen van Minh, der vier Jahre lang als Kranführer in Magdeburg gearbeitet hat, führt heute Touristen durch die Tunnelanlagen. Die Gänge wurden extra ein Stück erweitert – denn im Vergleich zu den schmächtigen Vietnamesen wirkt der durchschnittliche Mitteleuropäer wie ein Elefant. Etwa dreißig Meter können began­gen werden, allerdings nur in geduckter Haltung. Minhs Taschenlampe schreckt ein paar Fledermäuse auf – zum Glück geht es ein Stück weiter vorne bereits wieder ans Licht.

Der neunköpfige Drache. Nicht weit von Cu Chi entfernt findet sich eine der wohl faszinierendsten Landschaften Vietnams, das Mekong-Delta. Weil sich der drittgrößte Fluss Asiens vor seiner Einmündung ins Meer in neun Hauptarme aufspaltet, wird das Delta von den Vietnamesen „der neunköpfige Drache“ genannt. Das beeindruckende Labyrinth aus Kanälen und Inseln, Reisfeldern und Mangrovenwäldern ­erschließt sich am besten per Boot. Früh am Morgen lohnt ein Besuch der schwimmenden Märkte.

In vielen Dörfern am Mekong wird aber auch Ausgefalleneres als Mangos und Ananas, Reis oder Fisch feilgeboten: Vogelspinnen, Skorpione und Kobras – in Alkohol eingelegt: ein Trank, der sehr förderlich sein soll für Gesundheit und Manneskraft. Für eine komplette Vietnam-Rundreise, so versichert Hai Nguyen Xuan, der die deutsche Pünktlichkeit sehr schätzt, sollten mindes­tens zwanzig Tage veranschlagt werden – schließlich sollten nicht nur Saigon, ­Hanoi, Hoi An, Hue, die Halong-Bucht, das Mekong-Delta und Sapa besucht, sondern auch ­einige Tage am Meer verbracht werden. Die weißen Dünenstrände bei Mui Ne bieten sich hierzu ebenso an wie die Strände um Nha Trang, das vietnamesische Nizza.

Sie wollen lieber auf eine Insel? Auch kein Problem. Phu Ouoc, die größte ­Insel Vietnams, wird von Vietnam Airlines inzwi­schen mehrmals täglich angeflogen. Dennoch fühlt man sich auf der rund 570 Quadratkilometer großen Insel, die fünfzig Kilometer vom Festland entfernt im Golf von Thailand liegt und zum Großteil von Regenwald bedeckt ist, noch nicht als Massentourist – am zwanzig Kilometer langen Long Beach treten sich die Besucher nicht auf die Füße, hier findet jeder ein passendes Plätzchen.

Abgesehen vom Tourismus lebt die Insel, die früher ein Gefäng­nis beherbergte und heute als das künftige vietnamesische Koh Samui gehandelt wird, vor allem von fermentierten Minisardinen. Die winzigen silbernen Fischchen werden gesalzen und neun Monate lang in einen Wasserbottich gelegt. Das Resultat dieser Prozedur lässt sich so gut wie jeder Vietnam-Reisende regelmäßig auf der Zunge zergehen – denn ob Fisch oder Fleisch, in Vietnam kommt kaum ein Gericht auf den Tisch, das nicht mit Nouc Mam abgeschmeckt wurde, einer aus fermentierten Sardinen gewonnenen Fischsauce – von der Thüringer Bratwurst einmal abgesehen.

Unterkünfte:
Mekong-Delta: Victoria Can Tho
Tel.: +84/71/81 01 11
www.victoriahotels-asia.com

Hoi An: Life Resort Hoi An
Tel.: +84/510/91 45 55
www.life-resorts.com

Sapa: Victoria Hotel
Tel.: +84/20 87 15 22
resa.sapa@victoriahotels-asia.com

Phu Quoc: Saigon Phu Quoc Resort
Tel.: +84/77/84 69 99
www.sgphuquocresort.com.vn

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