Iran: Durchbruch oder Finte im Atomstreit?

Mahmoud Ahmadinejad
Mahmoud Ahmadinejad (c) EPA (ABEDIN TAHERKENAREH)
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Plötzlich zeigt sich Präsident Mahmoud Ahmadinejad bereit, Uran im Ausland anzureichern: Die USA zögern und vermuten, dass hinter der Ankündigung vor allem Verzögerungstaktik steckt.

Teheran/Istanbul. In einem Interview mit dem staatlichen Fernsehen hat der iranische Präsident, Mahmoud Ahmadinejad, erklärt, der Iran habe „kein Problem“ damit, niedrig angereichertes Uran ins Ausland zu schicken, um dafür höher angereicherte Brennstäbe zu erhalten. Die Erklärung überraschte wohl jeden, denn der Iran hatte diese Möglichkeit noch vor einem Monat kategorisch ausgeschlossen.

Die Idee zu diesem Transfer stammt von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien und sollte zu einer Entspannung im Atomstreit mit den USA und anderen westlichen Ländern beitragen.

Demnach schickt der Iran sein auf 3,5Prozent angereichertes Uran ins Ausland, wo es in Russland und Frankreich auf 20Prozent weiter angereichert und in Brennstäbe gepresst werden soll. Diese erhält der Iran für ein medizinisches Projekt zurück. Damit bliebe die Anreicherung im Iran, sofern sie unter Kontrolle der IAEA steht, weit entfernt von den circa 85Prozent, die man für waffenfähiges Uran benötigt. Der Iran hatte diesem Handel mit dem Argument widersprochen, dass es nicht sicher sei, dass einmal ins Ausland geschicktes Uran zurückgegeben werde. Allenfalls ein Austausch auf iranischem Gebiet oder ein Zukauf von angereichertem Uran käme in Frage.

Gesichtswahrender Kompromiss

Der Kompromiss ließe alle Seiten das Gesicht wahren: Teheran käme an Brennstäbe für einen Forschungsreaktor, der radioaktive Präparate für die Nuklearmedizin herstellt. Der Westen (und auch Israel) könnte beruhigt sein, dass der Iran nicht mehr länger über genügend spaltbares Material für den Bau einer Bombe verfügt.

Die Furcht vor der Beschlagnahme des Urans scheint Ahmadinejad nun verloren zu haben. Wenn kein höher angereichertes Uran zurückgegeben werde, erklärte Ahmadinejad, dann sei der Iran in der Lage, es selbst zu produzieren.

Ahmadinejads plötzliche Wendung stieß in Washington auf Skepsis. Der Sprecher des Außenministeriums, P. J. Crowley, erklärte, die USA hätten kein Interesse an einer Neuverhandlung des Angebots. Hinter dieser Äußerung steht die Befürchtung, dem Iran gehe es in einer Zeit, in der in Washington und anderen Hauptstädten laut über härtere Sanktionen nachgedacht wird, nur darum, mit einer neuen Verhandlungsrunde Zeit zu gewinnen. Crowley wollte die Türe aber auch nicht ganz zuschlagen: „Wenn der Iran etwas zu sagen hat, dann sind wir bereit zuzuhören“, sagte er.

Ein erster Schritt im Einlenken

Es erscheint nicht ganz unmöglich, dass der Iran tatsächlich nun bereit ist, auf den Austausch einzugehen. Der Austausch war ohnehin nur als ein erster Schritt gedacht. Der eigentliche Brocken im Atomstreit sind die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, die vom Iran den kompletten Stopp der Anreicherung und die Aufgabe eines Projektes mit einem Schwerwasserreaktor verlangen, mit dem sich Plutonium gewinnen ließe.

Im selben Interview sagte Ahmadinejad auch, es gebe Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch mit den USA, ohne Einzelheiten zu nennen. Im Dezember hatte Teheran eine Liste mit den Namen von elf Iranern veröffentlicht, die sich in amerikanischen Gefängnissen befinden sollen, darunter ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, der in Istanbul auf mysteriöse Weise verschwunden ist und ein Nuklearexperte, der in Saudiarabien verschwunden ist.

Andererseits wurden drei amerikanische Wanderer im Iran vor einiger Zeit als Spione aufgegriffen, nachdem sie in der Gebirgsregion zwischen Iran und Irakischem Kurdistan die Grenze überschritten hatten. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Mike Hammer, dementierte indessen Gespräche über einen Gefangenenaustausch. Nach amerikanischer Darstellung befinden sich die verschwundenen Iraner nicht in der Gewalt der USA.

AUF EINEN BLICK

Atomkompromiss? Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat in einem Fernsehinterview einen möglichen Kompromiss im Atomstreit in Aussicht gestellt. Der ursprüngliche Kompromissvorschlag des damaligen IAEA-Chefs, Mohamed ElBaradei, sah vor, dass der Iran für einen medizinischen Forschungsreaktor hoch angereichertes Uran erhält und dafür im Gegenzug sein bisher niedrig angereichertes Uran übergibt. Teheran hat sich bisher gegen diesen Kompromiss zur Wehr gesetzt, Ahmadinejad scheint nun zum Einlenken bereit. Die Sicherheitsratsmitglieder reagieren zurückhaltend, da sie eine Verzögerungstaktik vermuten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2010)

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