„Die Verlegerin“: Ein Film voller Papier und Druckerschwärze

Unter Druck: der Chefredakteur der „Washington Post“, Ben Bradlee (Tom Hanks), und die Verlegerin Katharine Graham (Meryl Streep).
Unter Druck: der Chefredakteur der „Washington Post“, Ben Bradlee (Tom Hanks), und die Verlegerin Katharine Graham (Meryl Streep). (c) Universal Pictures
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„Die Verlegerin“ erzählt von der Enthüllung der Pentagon-Papiere – und taugt als Pressefreiheitsthriller wie auch als Emanzipationsdrama. In detailverliebten Bildern lässt Steven Spielberg das gedruckte Wort hochleben.

Der neue Film von Steven Spielberg heißt im Original „The Post“ – angelehnt an die Washington Post, jene berühmte Tageszeitung, die in den Siebziger Jahren durch ihre Berichterstattung über den Watergate-Skandal den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall brachte. Ursprünglich sollte der Verschwörungsthriller jedoch „The Papers“ heißen – ein viel passenderer Titel, klang doch der Name des Blattes zu der Zeit, als der Film spielt (1971), noch für niemandem nach radikal praktizierter Pressefreiheit. Dieser Platz blieb allein der „New York Times“ vorbehalten, der die „Post“ in puncto Ansehen, Einfluss und Verkaufszahlen beträchtlich unterlegen war.

Das begann sich erst zu ändern, als jemand einen hohen Papierstoß aus dem Verteidigungsministerium mitgehen ließ. Jedes Blatt ein Beleg dafür, dass alle US-Regierungen seit Harry Truman die Öffentlichkeit in Bezug auf ihren lange geplanten und schließlich in die Tat umgesetzten Krieg gegen das großteils kommunistisch gewordene Vietnam systematisch getäuscht und belogen hatten. Durch die Veröffentlichung dieser Pentagon-Papiere (teils in der „Times“, teils in der „Post“) war damals der Damm für ein neues Selbstbewusstsein unter den amerikanischen Journalisten gebrochen.

Auch im Bett stapeln sich die Blätter

Tatsächlich hat seit „Schindlers Liste“ kein Schriftstück mehr eine vergleichbar tragende Rolle im Werk des legendären Filmemachers eingenommen. Dem am nächsten kam vielleicht bloß die amerikanische Verfassung, die in vielen seiner Historienfilme allerdings immer nur ideell im Äther herum schwebte, anstatt als materieller Gegenstand in der konkreten Handlungssphäre zu zirkulieren. Der Pentagon-Mitarbeiter, Daniel Ellsberg (Matthew Rhys), den man zuvor mit Gewehr und Schreibmaschine bewaffnet auf einem Schlachtfeld in Vietnam gesehen hat (nicht die einzige Analogie zwischen Presse- und Kriegsgewalt im Film), multipliziert die von ihm entwendeten Geheimdokumente nämlich schon zu Beginn ins scheinbar Unendliche, indem er sie durch ein Kopiergerät schickt. Selbst auf seinem Bett stapeln sich die Blätter irgendwann. Ein ungewöhnlicher Anblick in einem Spielberg-Film, wo der Regisseur seine Karriere doch mit latent freudianischen Märchenfilmen über bubenhafte Träumer begründete, für die das gepolsterte Möbelstück ein heiliger Ort war.

Dennoch mutet diese detailverliebte Rekonstruktion der Gutenberg-Galaxis aus der digital übersättigten Medienperspektive von heute nicht weniger kindlich und entrückt an als die Wunderwelten aus seinem magisch-realistischem Frühwerk. Die Verlegerin der „Post“, Kay Graham (gewohnt elegant: Meryl Streep), erwacht einmal in einem Meer aus vollgekritzelten Notizblöcken. Die begehrten Geheimdokumente landen wiederum in profanen Schuhkartons auf den Schreibtischen der Redakteure oder müssen umständlich mit dem Flugzeug eingeflogen werden. Einmal wird sogar das Wohnzimmer des Chefredakteurs, Ben Bradlee (gewohnt gewöhnlich: Tom Hanks), zur provisorischen Kommandozentrale umfunktioniert – man muss einen Stoß an Kopien, ein weiteres Puzzleteil, erst mal händisch in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Wenn im Keller des Redaktionsgebäudes später die Druckerpresse eingeschaltet wird, beginnt alles zu vibrieren. Dann schlängeln sich die Zeitungen an den Förderbändern empor, als wären es Blutkörperchen in den Adern einer altmodisch-analogen Maschine, die Spielberg wieder auf Hochtouren bringt.

Die Guten bleiben unter sich

Alles und jeder scheint hier wie in einem Getriebe miteinander verzahnt. Wiewohl die Guten und Anständigen weitgehend unter sich bleiben. Gleichgültig ob sie als Friedensaktivisten auf der Straße protestieren oder als wohlbetuchte Anhänger der linksliberalen Elite in piekfeinen Salons die Revolte planen. Trotzdem gibt es auch in diesem System Schranken: Die Laufburschen, die immer wieder das Erzähltempo beschleunigen, benötigen einen Presseausweis, damit ihnen – zumindest ein Spalt weit – die Türen geöffnet werden. Der Verlegerin, die unter gewaltigem Druck steht, weil sie wegen der geplanten Enthüllungen rechtliche und finanzielle Konsequenzen befürchtet, werden sie zwar regelmäßig weit geöffnet, aber der dahinterliegende Saal ist für gewöhnlich proppenvoll mit weißen Männern, die ihre Vorbehalte gegen eine Frau im Chefsessel kaum kaschieren.

Jeder Raum wirkt von Spielberg zur Gänze erfasst und sozial durchmessen. Das macht den Film neben seiner herausragenden Qualität als Suspense-Thriller zu einem gleichermaßen gelungenen Emanzipationsdrama. Das weit verbreitete Gerücht, dass „Die Verlegerin“ bloß trockene Dialog-Didaktik aufbieten würde, kann getrost zurückgewiesen werden. Eine vergangene Epoche kam einem selten so lebendig und – wegen der Möglichkeit, sie mit #MeToo und Donald Trump zu verknüpfen – aktuell vor. Mit dessen Amtsantritt legte sich die „Post“ übrigens einen kämpferischen Untertitel zu: „Democracy Dies in Darkness“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2018)

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