Montenegro: Rätselhafter Anschlag auf US-Botschaft

Aus Sicherheitsgründen hat das US-Außenministerium am Donnerstag nicht nur die US-Botschaft in Montenegro, sondern auch jene im benachbarten Bosnien und Herzegowina vorläufig schließen lassen.
Aus Sicherheitsgründen hat das US-Außenministerium am Donnerstag nicht nur die US-Botschaft in Montenegro, sondern auch jene im benachbarten Bosnien und Herzegowina vorläufig schließen lassen.(c) REUTERS (STEVO VASILJEVIC)
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Der Mann, der eine Granate auf das Gelände der US-Vertretung warf, war ein arbeitsloser serbischer Kriegsveteran. Über seine Motive wird bisher nur spekuliert.

Belgrad/Podgorica. Schockiert haben Montenegros Regierung und Öffentlichkeit auf den Anschlag auf die US-Botschaft in der Hauptstadt Podgorica in der Nacht zum Donnerstag reagiert. Während die Regierung des EU-Anwärters den Anschlag scharf verurteilte, beschäftigte die Medien der Region am Tag danach vor allem die Motivation des Täters. Zunächst hieß es, er habe sich nach einem Granatenwurf auf das Gelände der Botschaft selbst das Leben genommen. Ermittler sagten später, der Tod des Mannes sei ein Unfall gewesen.

Kurz nach Mitternacht wurde laut Angaben von Montenegros Regierung gegen 0.30 Uhr eine gezündete Granate von der Straße über den Zaun der geschlossenen US-Botschaft auf deren Gelände geworfen. Bis auf einen Einschlagskrater im Innenhof richtete der Sprengkörper offenbar keinen größeren Schaden an. Doch Botschaftsangehörige fanden kurz danach vor dem Zaun den leblosen Körper des mutmaßlichen Attentäters: Der Mann sei durch die Detonation eines weiteren Sprengkörpers getötet worden, so die Polizei. Laut Ermittlern soll der Attentäter beim Werfen seiner zweiten Handgranate gestolpert sein, dabei sei der Sprengsatz explodiert.

Aus Sicherheitsgründen hat das US-Außenministerium am Donnerstag nicht nur die US-Botschaft in Montenegro, sondern auch jene im benachbarten Bosnien und Herzegowina vorläufig schließen lassen. Die von heimischen Medien veröffentlichten Details über den mutmaßlichen Täter deuten allerdings eher auf die Verzweiflungstat eines einzelnen als auf einen durchdachten Terroranschlag hin.

Ausgezeichnet von Milošević

Laut den Erkenntnissen der in Podgorica erscheinenden Zeitung „Vijesti“ handelt es sich bei dem Attentäter um den 43-jährigen Dalibor J., einen im serbischen Kraljevo geborenen und in Podgorica lebenden Veteranen des Kosovo-Kriegs. Auf seiner Facebook-Seite hatte der bekennende Gegner von Montenegros Nato-Beitritt vor einigen Monaten seine von Jugoslawiens früherem Autokraten Slobodan Milošević unterzeichnete Auszeichnung für seine „außerordentlichen Verdienste bei der Verteidigung des Vaterlands“ veröffentlicht.

Nach einem Bericht der serbischen Zeitung „Večernji Novosti“ soll der ledige Veteran seit dem Verlust seines Arbeitsplatzes beim krisengeschüttelten Aluminiumwerk in Podgorica Probleme gehabt haben, über die Runden zu kommen. Ein Sprecher von Montenegros Veteranenverband erklärte, „unter Schock“ zu stehen: „Das war kein gewöhnlicher Mensch. Er war sehr tapfer im Krieg und wurde im Frieden vergessen.“

In den Ländern des früheren Jugoslawiens ist es in den vergangenen Jahren mehrmals zu blutigen Amokläufen traumatisierter Kriegsveteranen gekommen: Meist wurden Familienangehörige und die nächsten Nachbarn zu deren Opfern. Neben der seit den Jugoslawienkriegen der 1990er-Jahre sehr hohen Zahl illegaler Waffen erweist sich auch der Mangel an professioneller Betreuung als Problem: Viele Veteranen bleiben mit ihren psychischen und oft materiellen Problemen sich selbst überlassen.

US-Kreise schließen jedoch auch politische Gründe für den Anschlag nicht aus. Radio Free Europe erinnerte unter anderem daran, dass der Anschlag zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und dem Brand der US-Botschaft in Belgrad erfolgte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2018)

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