Orange-Chef: "Ich bin ja nicht der Google-Förderverein"

Michael Krammer, Orange
Michael Krammer, Orange(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im Interview mit DiePresse.com erklärt Michael Krammer, CEO von Orange, warum er Googles Geschäftsmodell nicht mag, was bei Nokia falsch läuft und warum Vorratsdatenspeicherung keinen Sinn hat.

Von 15. bis 18. Februar findet in Barcelona die größte Handy- und Mobilfunkmesse der Welt, der Mobile World Congress (MWC) statt. Im Vorfeld der Veranstaltung sprach DiePresse.com mit den österreichischen Mobilfunkbetreibern über die "Lage der Handy-Nation", aktuelle Entwicklungen und kommende Trends. Den Anfang macht Michael Krammer, CEO von Orange Österreich.

Inhaltsverzeichnis

Seite 1: "Ich bin ja nicht der Google-Förderverein"
Seite 2: "Halte nichts von Vorratsdatenspeicherung"

DiePresse.com:Die Medienwelt hat am 27. Jänner auf Apple gestarrt. Viel wurde erwartet, bei einigen ist mit der Vorstellung des iPad Ernüchterung eingekehrt. Wie war das bei Ihnen, als Sie gesehen haben, was hinter dem sagenumwobenen Tablet wirklich steckt?

Michael Krammer: Zufriedenheit ist gleich Erlebtes weniger Erwartetes. Bei allem, was Apple bringt, neigt die Community dazu, hoffnungslos die Erwartungen zu übertreiben. Dann kommt ein super Produkt, aber das hat noch immer nicht von der Kochplatte bis zum Mondflieger alles drinnen.

Bestehen Überlegungen, das iPad ins Sortiment aufzunehmen? Es gibt ja eine Version mit 3G-Funktionalität.

Krammer: Natürlich, aber diese Überlegungen stellen nicht wir alleine an. Da gibt es einen Partner, der heißt Apple, der wird die Europastrategie zu diesem Produkt in etwa zweieinhalb Monaten festlegen. Und wir werden uns bemühen, dass wir dann dabei sind.

Bei der Präsentation des Geräts hat Steve Jobs gesagt, Netbooks können eigentlich nichts wirklich gut, sie sind nur billig. Sie bieten ja selber Netbooks an. Würde ein iPad nicht das Segment kannibalisieren?

Krammer: Sollten wir das iPad bekommen, werden Netbooks sicher nicht aus dem Programm fliegen. Netbooks sind dafür gemacht, mobil auch alle businessrelevanten Anwendungen verwenden zu können. Das iPad hat als herausragendes Merkmal die Mediennutzung. Ich glaube nicht, dass es viel Spaß machen wird, auf dem iPad ein Excel-Spreadsheet oder Word-Dokument zu bearbeiten. Die Stärke sind Bücher und Zeitungsabos. Diese Dienste sind meiner Ansicht nach auch der Grund, warum es drei Monate später nach Europa kommt. Da müssen zuerst Verträge abgeschlossen werden, damit auch ein ordentlicher Content da ist.

Der Mobile World Congress findet demnächst statt. Was sind Ihre Erwartungen an das, was dort zu sehen sein wird?

Krammer: Jede Menge Smartphones. Wir werden viel von [der neuen Daten-Mobilfunkgeneration, Anm.] LTE sehen und hören und mögliche Services. Mein persönlicher Schwerpunkt wird sein, mir gemeinsam mit unserem CTO Elmar Grasser anzuschauen, wie sich die Technologie entwickelt hat, um eine physische Zusammenlegung der Netze bei logischer Trennung zu ermöglichen.

Das heißt, Sie wollen sich mit einem anderen Betreiber in Österreich ein und dasselbe Netz teilen.

Krammer: Ich werde mir ansehen, wie weit die Voraussetzungen für so ein Projekt sind.

Haben Sie einen Wunschpartner für so ein Projekt?

Krammer: Nein. Wir sind da sehr pragmatisch.

Sie haben Smartphones angesprochen. Letztens sagten Sie in einem anderen Interview, dass Sie nur ungern mit Google zusammenarbeiten würden, um das Nexus One nach Österreich zu bringen. Andere Betreiber scheinen weniger Probleme damit zu haben.

Krammer: Ja, aber wer hat es denn schon? T-Mobile in den USA. In Europa niemand, soweit ich weiß. Wenn ein Mobilfunkbetreiber logisch darüber nachdenkt, was Google mit diesem Geschäftsmodell beabsichtigt, dann muss das zumindest nachdenklich stimmen. Warum besteht Google darauf, dass das Gerät ausschließlich über seinen Webshop vertrieben wird und die SIM-Karten dorthin geschickt werden? Was passiert mit den Daten der Kunden? Und welchen Platz in der Wertschöpfungskette nimmt man als Betreiber dann noch ein? Ist man nur noch Bitpipe, wenn selbst der Vertrieb und die Kundenschnittstelle durch einen Internetbetreiber, der zufällig irgendwo Hardware fertigen lasst, eingenommen wird? Wir haben das nicht nötig. [Googles Handy-Betriebssystem, Anm.] Android gibt es wie Sand am Meer.

Sie sehen also das Geschäftsmodell von Google mit dem eigenen Vertriebskanal, wo der Kunde zuerst das Gerät auswählt und danach erst den Betreiber, als falschen Weg?

Krammer: Ich bin ja nicht der Google-Förderverein! Ich bin Orange und Netzbetreiber und will sicherstellen, dass alle Services im Netz funktionieren. Wo gehen die Kunden denn hin, wenn etwas nicht funktioniert? Fahren sie dann nach Kalifornien? Die stehen bei uns in den Shops, weil wir die Kundenschnittstelle sind. Diesen gesamten Lebenszyklus vom Verkauf über Service sehen wir als unsere Kernkompetenz. Und wenn ich das nicht sicherstellen kann, dann mache ich nicht mit.

Es ist aber oft so, dass ein neues Gerät erscheint und erst viel später beim Netzbetreiber verfügbar ist. Wenn mehrere Hersteller auf Googles Modell aufspringen, wäre das nicht den Kunden lieber?

Krammer: Dieses Herzeigen von Geräten ist ein beliebtes Spiel der Hersteller. Es wird angekündigt, alle hecheln danach und bis es verfügbar ist, dauert es drei Monate. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es so ist, wir können nichts daran ändern. Und die Kunden werden sich daran gewöhnen.

Wird die Hardware in Zukunft noch eine Rolle spielen? Apple ist inzwischen der profitabelste Handy-Produzent mit nur einem Modell und Nokia hat angekündigt, sein Portfolio einzuschränken und mehr auf Software und Dienste zu setzen. Geht die Branche in diese Richtung?

Krammer: Was ist der Erfolg des iPhone? Oder was ist generell der Erfolg von Apple? Weil sie - neben einem genialen Marketing - ihre Kernkompetenz, hervorragende Hardware mit hervorragender Software zu verbinden, zu 100 Prozent ausspielen. Es ist ein verdammt proprietäres System, aber es funktioniert einfach super. Jetzt frag ich mich: Warum geht Nokia weg von der Kernkompetenz? Sie haben Jahrzehnte lang tolle Hardware gemacht mit super Betriebssystemen drauf. Und jetzt auf einmal glauben sie, das ist nicht mehr wichtig. Ob das so gescheit ist? Es ist wichtig zu wissen, woher man kommt und was man besser kann als die anderen. Apple hat keine 35 Endgeräte mit sieben Betriebssystemen, sondern ein Betriebssystem, eine Hardware. Die Fokussierung ist das Geheimnis des Erfolges.

Nokia geht also ein ziemlich großes Risiko ein?

Krammer: Ich weiß es nicht. Jetzt habe ich gelesen, dass Symbian weiterentwickelt wird. Da muss ich sagen: Gott sei Dank, es wird langsam Zeit! Es ist wie Oldtimer-Fahren. Wenn man ein Symbian-Handy nach dem iPhone benutzt, glaubt man, man sitzt in einem 70er-Jahre-Auto. Sie brauchen gute Hardware mit einer darauf abgestimmten Software. Diese Stores entstehen von selbst. Das entwickelt ja nicht Nokia und auch nicht Apple, da gibt es viele, auch österreichische Firmen, die hier neue Geschäftsmodelle aufbauen.

Wenn Sie von Symbian so wenig angetan sind, was halten Sie dann von Windows Mobile?

Krammer: Positiv ausgedrückt: Ich warte sehnsüchtig auf Version 7.0. Ich glaub schon, dass in Verbindung mit Windows 7 auch die Mobilversion ihren Markt finden wird, vor allem im Businessbereich gemeinsam mit Blackberry. Ich selbst kann mich nicht daran gewöhnen, aber die nächste Version werde ich wieder ausprobieren.

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