Wo Leonid Breschnew einst zum Autodieb wurde

Diese Marke von 2010 zeigt Aurel Perșu, der als erster Kfz-Ingenieur die Räder aerodynamisch günstig ins Innere der Karosserie verbaut hat.
Diese Marke von 2010 zeigt Aurel Perșu, der als erster Kfz-Ingenieur die Räder aerodynamisch günstig ins Innere der Karosserie verbaut hat.(c) Post of Romania
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Von dem Rumänen, der den Autos der Welt die Räder zurechtrückte, dem ersten Pkw in Draculas Reich und anderen netten PS-Details.

Mit „Marta" fing es an. Das stand für Magyar Automobil Részvény Társaság Arad (Ungarische Automobil AG Arad), die erste Fabrik für Straßenfahrzeuge auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens. Als Marta 1909 auf Initiative der Stadtregierung von Arad gegründet wurde, lag die Stadt noch im Südosten der ungarischen Hälfte der k. u. k. Monarchie, war mehrheitlich von Ungarn und Deutschen bewohnt, und kam 1919/20 zu Rumänien.

Arad hatte sich um eine Fabrik für Busse und Pkw bemüht. In der Monarchie gab es schon seit einigen Jahren Kfz-Erzeuger, etwa Austro-Daimler in Wr. Neustadt seit 1899, Laurin & Klement in Böhmen (erster Pkw 1905), der in den 1920ern zu Škoda kam. Die französische Firma Westinghouse, Tochter des gleichnamigen US-Konzerns, erhielt den Zuschlag. Sie baute in Arad bis 1912 rund 150 Gefährte unter der Marke Marta, aber ging pleite, worauf Austro-Daimler Marta übernahm. Nach etwa  500 weiteren Pkw und Nutzfahrzeugen wurde nach Kriegsbeginn 1914 indes komplett auf Flugzeugbau umgestellt.

Fertigung von Lkw bei Marta
Fertigung von Lkw bei Martawww.prourbe.ro - gemeinfrei
Heute noch fahrbereiter Marta 35/45HP Phaeton, Vierzylinder Viertaktmotor, Kettenantrieb, Bauzeit: 1909 - 1912
Heute noch fahrbereiter Marta 35/45HP Phaeton, Vierzylinder Viertaktmotor, Kettenantrieb, Bauzeit: 1909 - 1912www.voz.co.at

1921 fusionierte Marta mit einer Fabrik für Waggons und Maschinen zu Astra. Diese Pkw- und Lkw-Erzeugung, die erste des modernen Rumäniens, endete aber schon 1926, weil Astra sich rein auf Schienenfahrzeuge verlegte. Nach einigen Betriebsübergängen gibt es Astra heute noch – und baut sogar wieder Busse.

Der Mann mit dem Stromlinienwagen

Zwischen den Kriegen ruhte Rumäniens Kfz-Bau großteils, abgesehen von Nutz- und Militärfahrzeugen, darunter Panzer, und einem Ford-Werk. Dafür sollte der Ingenieur Aurel Perşu (1890–1977) den globalen Kfz-Bau verändern: Er betonte als einer der Ersten die Bedeutung optimaler Aerodynamik, gerade des Verbrauchs wegen, und verlagerte dazu auch die Räder weitgehend fahrtwindgeschützt ins Innere der Karosserie.

Spätere Aufnahme des Stromlinienautos
Spätere Aufnahme des Stromlinienautoshttp://autoturism.rdslink.ro

Sein 1922/23 in Berlin gebauter „Stromlinienwagen" mit einem deutschen Vierzylindermotor und 20 PS (siehe rechts und auch das Titelbild einer rumänischen Briefmarke) hatte bloß ein Viertel des Verbrauchs ähnlich PS-starker damaliger Autos. Es blieb allerdings bei dem einen Prototyp, aber das mit den Rädern wurde bald überall die Regel und niemand denkt darüber eigentlich nach.

Der Wagen ist übrigens erhalten, Perşu ließ ihn in seiner Garage stehen und schenkte ihn ein Jahr vor seinem Tod dem Technischen Museum Dimitrie Leonida in Bukarest.

Der große Bruder als großer Autosammler

Ein Malaxa
Ein Malaxaautomobileromanesti.ro

1945 entstand Malaxa, eine recht hübsche Dreizylinder-Sternmotor-Limousine mit um die 30 PS, in einem Werk des Tycoons Nicolae Malaxa (1884–1965) im westrumänischen Reşiţa. Angeblich – die Sache ist unklar – baute man bis 1947 einige hundert, vielleicht mehr als 1000 Stück. Dann kam einer Überlieferung zufolge ein gewisser Leonid Breschnew: Der spätere Staats- und Parteichef (1964–1982) der UdSSR und legendäre Kalte Krieger soll nach dem Krieg als hoher KP-Funktionär auf Mission in Bulgarien gewesen und in einem Malaxa gefahren sein; der Wagen habe den bekennenden Autofreak und -Sammler so entzückt, dass Moskau auf sein Drängen hin den Bau des Malaxa in Rumänien stoppen und in die UdSSR verlegen ließ.

Breschnew soll übrigens bis zu seinem Tod einen privaten Fuhrpark von etwa 50 bis zu mehr als 300 Autos besessen haben; in einem rumänischen Bericht ist sogar die Rede von mehr als 1000. Viele bekam er geschenkt, einige kaufte er, er ließ Fahrzeuge aber auch haufenweise requirieren. Aus dem Westen bekam er unter anderem einen kirschbraunen Mercedes 280 und einen sechstürigen Mercedes 600 geschenkt, einen Cadillac Eldorado von US-Präsident Richard Nixon, und da war noch viel mehr, etwa ein Lincoln Continental, ein schwarzer Rolls Royce Silver Shadow und ein goldbrauner Citroën-Maserati.

Nach seinem Tod 1982 wurdeseine Autosammlung aufgeteilt. Einige Exemplare gerieten in die Hände von ausländischen Autohändlern.

ARO 240 (Bauzeit 1970er-Jahre)
ARO 240 (Bauzeit 1970er-Jahre)www.automobileromanesti.ro

In den 1950ern setzte der Pkw-Bau ein, zuerst primär mit den sehr brauchbaren, in alle Welt verkauften Geländewagen der Staatsfirma ARO (siehe oben ein ARO 240), die leider in den 1990ern in die Krise fiel und 2006 verschwand. Grund: Ab 1998 hatte ein US-Geschäftsmann kubanischer Herkunft mit ihr mehrere krumme Dinger gedreht. Zuerst wollte er Aros über Franchisenehmer, die dafür viel zahlten, in die USA als schicken "Warschauer Pakt-Überschuss" verkaufen, doch als er von diesen Franchisenehmern verlangte, sie sollten vor Lieferung zahlen, wurde das denen suspekt; tatsächlich kam nie ein Wagen an.

2003 erwarb dann eine Firma namens Cross Lander, die diesem Mann namens John Perez gehörte, die Mehrheit bei ARO. Doch mit der rumänischen Regierung vereinbarte Investitionen in Rumänien bzw. bei ARO blieben aus, während Cross Lander umgekehrt begann, die Maschinen, Werkzeuge und andere Fahrnisse von ARO vereinbarungswidrig zu versteigern. Perez wurde verklagt, das Geld seiner Firma war plötzlich weg, die wiederum entließ alle Angestellten und löste sich Anfang 2006 auf, worauf auch ARO wenige Monate später pleite ging. 

Das Ereignis in der jüngeren rumänischen Automobilgeschichte war unterdessen die Gründung von Dacia mit dem Werk in Mioveni nordwestlich von Bukarest anno 1966.

Renault verlieh den Rumänen Flügel

Rumäniens Staatschef Nicolae Ceaușescu im ersten Dacia 1100, August 1968
Rumäniens Staatschef Nicolae Ceaușescu im ersten Dacia 1100, August 1968fototeca.iiccr.ro

Durch Kooperation mit Renault bis 1978, vor allem durch Lizenzbauten von Autos wie dem Renault 12, Basis der legendären Serie Dacia 1300, wurde Dacia groß, und zwar nicht nur im Ostblock: Der 1300er gelangte auch in den Westen, nach Asien und Afrika. Das erste Modell war indes der Dacia 1100, im Grunde ein Renault 8, gewesen; der 1100er wurde bis 1972 etwa 37.500 mal gebaut. Die 1300er-Serie wurde mit etwa 1,95 Millionen Stück (Bauzeit bis 2004)  Rumäniens "Volkwagen".

Ein 1300er-Dacia Bj. 1973 in Deutschland
Ein 1300er-Dacia Bj. 1973 in Deutschlanddacia24.de - creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Dacia ist seit dem vollständigen Erwerb durch Renault 1999 global ein wachsender Player geworden, dessen dezidiert günstige Autos auch im Ausland gebaut werden, etwa in zwei Renaultfabriken in Marokko, die 2017 bereits mehr Dacias bauten (Modelle Sandero, Dokker, Lodgy) als in Rumänien selbst, und wo aus auch in die EU exportiert wird. Zusätzlich werden jährlich hunderttausende Bausätze oder auch nur Fahrgestelle exportiert und in anderen Staaten zusammengebaut bzw. ausgebaut, teils unter anderen Namen wie Lada oder Mahindra - etwa in Russland, Indien, dem Iran, Brasilien und Südafrika. Zeitweise bauten auch Citroën und Daewoo Autos in Rumänien.

Video über die Dacia-Fertigung in Tanger, Marokko:

2017 entstanden in Rumänien selbst circa 364.000 Autos: 314.000 von Dacia, 50.000 vom Rückkehrer (seit 2008) Ford. Laut Daten von 2016 war Rumänien auf Rang24 der Autobauer, vor Ländern wie Australien, Schweden, den Niederlanden, Taiwan und Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)

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