Standort: Deutschland, Europas Immobilienhochburg

Deutschlands Wirtschaft brummt. Davon profitiert auch spürbar der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt und wird zum immer stärkeren Anziehungsmagnet für internationale Investoren.

Österreichs Immobilienmarkt blickt neidvoll auf den deutschen Nachbarn. Der entscheidende Unterschied: „Deutschland ist mit rund 70 Milliarden Euro Volumen der größte Immobilienmarkt Europas“, sagt Alexander Neuhuber, Geschäftsführer von der Magan Holding in Wien. Er kennt die deutsche Immobilienszene bestens. Seit 2004 führt das Immobilienberatungsunternehmen Magan statistische Auswertungen durch und erhielt in dieser Zeit rund 50.000 Immobilienangebote aus Deutschland. „Mit der Größe des Markts multipliziert sich die Auswahl an Immobilien.“

Es gebe in Deutschland derzeit kaum Märkte, die für Investoren nicht empfehlenswert wären. „Passt die demografische Entwicklung eines Standorts, kann man getrost investieren.“ Die großen Städte sind natürlich die Zugpferde. Aber es sind vor allem die kleineren Städte, die Neuhuber als Gewinner sieht. „Es gibt einen Trend zu B- und C-Städten, weil der Zuzug von Menschen in die Metropolen allmählich abflacht.“ Ursache dieser Entwicklung seien die hohen Preise und die Knappheit verfügbarer Objekte und Wohnungen. „Davon profitieren sekundäre und tertiäre Standorte“, so der Immobilienexperte. Im Trend liege das Investieren in Nischenprodukte und Sondernutzungen. „Um an geeignete Ware zu kommen, sind größere Investoren inzwischen auch bereit, sogenannte Forward Purchase Agreements einzugehen, also in einem sehr frühen Projektstadium einzusteigen“, sagt Neuhuber.

Boomender Gewerbemarkt

Immobiliendienstleister wie CBRE, Colliers und JLL führen regelmäßig Analysen des deutschen Immobilienmarkts durch. CBRE hat die Gewerbeimmobilien gründlich unter die Lupe genommen. Laut der aktuellsten Analyse war 2017 mit einem Transaktionsumsatz von 57,4 Mrd. Euro das zweitbeste Jahr für den deutschen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien seit 2007. „Der Markt hat nichts von seiner hohen Dynamik der vergangenen Jahre eingebüßt, daher halten wir für 2018 ein Transaktionsvolumen von 50 Milliarden Euro für möglich“, sagt Andreas Ridder, Geschäftsführer CBRE Österreich und Chairman Central & Eastern Europe. „Angesichts der großen Nachfrage aus dem In- und Ausland wird das Transaktionsvolumen nur durch fehlende Produkte begrenzt.“

Basis für den dynamischen Investmentmarkt ist die gute wirtschaftliche Lage. Sie führt zu einer großen Flächennachfrage seitens der Immobiliennutzer. Gleichzeitig ist der Neubau, beispielsweise von Büroimmobilien, überschaubar, sodass die Leerstände zurückgehen und die Mieten steigen. Das macht laut Ridder Gewerbeimmobilien für Investoren attraktiv. „Das Investitionsklima profitiert zudem von einem relativ niedrigen Zinsumfeld. Trotz der gestiegenen Renditen auf zehnjährige Bundesanleihen ist der Renditespread noch immer ungebrochen attraktiv“, sagt der CBRE-Chef.

Das Büro bleibt Nummer eins

Den typischen deutschen Gewerbeimmobilienmarkt gibt es seiner Ansicht nach gar nicht. „Anders als in Österreich, Frankreich oder Großbritannien wird der Markt nicht von einer großen Stadt geprägt, sondern von den großen Top Five Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München sowie von vielen weiteren Städten wie Stuttgart und Köln und einer Vielzahl an sogenannten attraktiven B-Städten, auch Major Provincials genannt, wie beispielsweise Bonn, Heidelberg, Leipzig oder Nürnberg.“ Die Immobilienmärkte der einzelnen Städte würden sich in vielen Aspekten unterscheiden, was es ermöglicht, nur mit Immobilien aus Deutschland Portfolios mit großer Diversität zu erstellen. „Das ist für risikoaverse Investoren äußerst interessant“, so Ridder.

Mit knapp 50 Prozent, und vereinzelt in den Top-Five-Großstädten sogar bis zu 75 Prozent, sind Büroimmobilien auf dem deutschen Immobilieninvestmentmarkt unangefochten auf Platz eins. Aber auch andere Assetklassen liegen im spürbaren Aufwärtstrend. „Einzelhandels-, Hotel-, Logistik- und Pflegeimmobilien sind bei Investoren beliebt, wobei aufgrund der aktuellen Marktlage die Transaktionsvolumina weniger durch das Investoreninteresse als durch die Produktverfügbarkeit bestimmt werden“, sagt Ridder.

Droht ein Engpass?

Die Nutzernachfrage nach Büroimmobilien ist unverändert hoch, schon deshalb ist nicht zu erwarten, dass sich Büroimmobilien in den kommenden Jahren von einer anderen Assetklasse überholen lassen. „In vielen deutschen Städten, vor allem in München und Berlin, gibt es kaum noch Büroleerstände zu verzeichnen“, sagt Ridder. Wirtschaftsexperten sehen diese Entwicklung durchaus skeptisch. Denn die hohe Nachfrage bedeutet auch, dass es zu wenige Büroimmobilien gibt. Fehlender Büroraum, speziell in den Großstädten, würde Unternehmenswachstum bremsen und Arbeitsplätze kosten. Zu diesem Ergebnis kommt etwa das neue Gutachten des „Rates der Immobilienweisen“, das durch seine Frühlingsprognosen für mehr Transparenz auf den Immobilienmärkten sorgen will. Es kritisiert den Rückgang an Büro-Neubaufertigstellungen im Jahr 2017 in den sieben größten deutschen Städten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)

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