Dienen, aber richtig

Erstens sollten wir Frauen und Männer beim Wehrdienst gleich behandeln. Und ihn zweitens abschaffen.

Weil die Kasernen auseinanderfallen, weil immer mehr Jungmänner untauglich sind, weil die Gewissensprüfung niemanden überzeugt und weil die Motivation im Keller ist, bei den Grundwehrdienern ebenso wie beim zuständigen Minister: Denken wir über das Bundesheer doch einmal grundsätzlicher nach.

Fangen wir mit der radikalsten Idee an: Männer und Frauen bei der Wehrpflicht gleich zu behandeln. Dafür, dass Männer mehrere Monate ihrer Lebenszeit und Arbeitskraft dem Staat schenken müssen, Frauen jedoch nicht, gibt es, wenn man vom Grundprinzip der Gleichberechtigung überzeugt ist, kein einziges logisches Argument. Die einen Menschen – Männer wie Frauen – eignen sich besser für das Militär; andere – Männer wie Frauen – weniger. Selbst wenn man ein Mindestmaß an Muskelkraft (oder Körpergröße) als Voraussetzung definiert, wird man kaum behaupten können, alle Männer seien stärker (oder größer) als alle Frauen.

Wie man Landesverteidigung unter den gegenwärtigen geostrategischen Umständen am besten organisiert, kann man rational diskutieren. Nicht rational diskutieren kann man hingegen ein Gesellschaftsbild, wonach Verteidigung eine ureigene Männeraufgabe sei, während Frauen daheim bleiben sollen, um die Kinder und das Feuer zu hüten.

Haben wir den Schock über die Gleichbehandlungsidee verdaut, stellen wir fest, dass bereits vieles leichter zu lösen ist. Etwa das paradoxe Problem, dass Österreich die Wehrpflicht schon allein deswegen braucht, weil Krankenhäuser, Heime und andere Institutionen dringend auf die Ersatzdienstleistenden angewiesen sind. Stünden da Männer und Frauen zur Verfügung, könnte man die Dienstzeit für alle radikal verkürzen. Oder nur die jeweils motiviertesten einziehen.

Denken wir jedoch noch weiter. Etwa daran, die Wehrpflicht überhaupt abzuschaffen – und stattdessen ein Freiwilligen- (halb)jahr zu entwerfen, das sowohl in der militärischen als auch in der zivilen Variante attraktiv genug ist, um junge Menschen beiderlei Geschlechts anzulocken.

Diese Attraktivität muss sich nicht ausschließlich in Geld niederschlagen. Der Staat könnte, als Gegenleistung, auch Perspektiven bieten: eine praktische Ausbildung etwa, die sich beruflich nützen lässt; die bevorzugte Aufnahme im Bundesdienst; die Befreiung von Studiengebühren oder eine Starthilfe für die Selbstständigkeit. Ein Freiwilligenjahr im Krankenhaus könnte Zusatzpunkte beim Medizin-Aufnahmetest bringen oder als Praktikum angerechnet werden.

Die überzeugendste Herausforderung eines Freiwilligendienstes wäre allerdings: 18-jährige Burschen und Mädchen etwas machen zu lassen, in dem sie einen Sinn erkennen können. Wetten, dass sich dafür genügend finden?

Sibylle Hamann ist Journalistin in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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