Fico macht Platz, allerdings nur für seinen Stellvertreter

Peter Pellegrini wird neuer Premier. Nach seinem Treffen mit Präsident Kiska stellte er sich den Fragen von Journalisten.
Peter Pellegrini wird neuer Premier. Nach seinem Treffen mit Präsident Kiska stellte er sich den Fragen von Journalisten. (c) REUTERS (DAVID W CERNY)
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Nach Journalistenmord überlässt Premier Fico seinem Vize Pellegrini das Amt.

Bratislava. Die wochenlange innenpolitische Krise nach dem Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak in der Slowakei ist vorerst beigelegt. Die drei bisherigen Koalitionsparteien und Staatspräsident Andrej Kiska einigten sich am Donnerstag auf einen Kompromiss. Das Staatsoberhaupt nahm den Rücktritt des sozialdemokratischen Regierungschefs, Robert Fico, an, den dieser mit der Bedingung verknüpft hatte, dass seine Partei Smer seinen Nachfolger nennen dürfe. Zum neuen Regierungschef werde er, wie von der Smer vorgeschlagen, Ficos bisherigen Stellvertreter Peter Pellegrini ernennen, erklärte Kiska.

Der 42-jährige Pellegrini, bisher Vizepremier für Investitionen und Informatisierung, hatte dem Präsidenten nach eigenen Worten 79 Unterschriften von Abgeordneten mitgebracht, welche die Regierung weiter unterstützen wollen. Zur absoluten Parlamentsmehrheit sind 76 der 150 Abgeordneten notwendig. Damit sind vorgezogene Neuwahlen vorerst vom Tisch. Der reguläre Wahltermin wäre erst im Frühjahr 2020.

Die bürgerlichen Oppositionsparteien hatten Präsident Kiska noch am Vorabend und am Donnerstag vergeblich aufgerufen, Ficos Bedingungen nicht zu akzeptieren, sondern Neuwahlen zu verlangen. Allerdings erlaubt die Verfassung das nur, wenn eine Dreifünftelmehrheit des Parlaments zustimmt. Dafür fehlt die Zustimmung der Regierungsparteien, die gemeinsam über eine absolute Mehrheit verfügen. Fico hatte neben dem Vorschlagsrecht der Sozialdemokraten für seinen Nachfolger auch den Erhalt der Dreiparteienkoalition mit Nationalisten und der ungarisch-slowakischen Partei Most-Híd verlangt.

Die Slowakei steckte seit dem noch nicht aufgeklärten Mord an Kuciak und seiner Verlobten, Martina Kusnirova, vor knapp drei Wochen in einer politischen Krise. Fico hatte die Entlassung des unter Korruptionsverdacht stehenden Innenministers Robert Kaliňák so lange hinausgezögert, bis er von Opposition, Medien und Zehntausenden Demonstranten selbst immer lauter zum Rücktritt aufgefordert wurde. Kaliňák trat erst am Montag zurück, wies aber alle Vorwürfe zurück, zweifelhafte Geschäftsverbindungen zu haben.

Starke Rechtspopulisten

Kaliňáks Rücktritt kam aber zu spät, um Fico selbst noch zu retten. So ließ der schon zum dritten Mal amtierende Premier am Mittwochabend die Bombe platzen und erklärte sich zum Rücktritt bereit. Damit wollte der Sozialdemokrat wenigstens überstürzte Neuwahlen verhindern. Diese würden nur „Chaos verursachen“, sagte er. Am Donnerstag kündigte er an, er werde weiter politisch aktiv bleiben.

Tatsächlich lassen jüngste Umfragen ein Erstarken verschiedener Rechtspopulisten und der offen den Holocaust leugnenden Neonazi-Truppe Volkspartei Unsere Slowakei erwarten. Sie prognostizieren weder für die bisherige Regierung noch die bürgerliche Opposition eine ausreichende Regierungsmehrheit im Parlament.

Ficos Rücktritt könnte den Massenprotesten gegen Korruption der vergangenen Wochen längerfristig den Wind aus den Segeln nehmen. Vor allem am vergangenen Freitag hatten Zehntausende gegen die Regierung demonstriert, heute wollen ähnlich viele auf die Straßen gehen.

Innenminister im Fokus

Der am 25. Februar gemeinsam mit seiner Verlobten erschossen aufgefundene Enthüllungsjournalist Kuciak hatte in seinen Recherchen mögliche Verbindungen von Innenminister Kaliňák und wichtigen Regierungsbeamten zu italienischen Mafiagruppen und anderen zweifelhaften Geschäftsleuten untersucht. Die beiden 27-Jährigen waren von unbekannten Tätern in ihrem Haus im Dorf Vel'ká Mača im westslowakischen Bezirk Galanta im Stil einer Hinrichtung getötet worden. Kaliňák war nach dem Mord massiv unter Druck geraten.

Nach Kuciaks Recherchen soll das kriminelle Netzwerk auch durch den Missbrauch von Fördermitteln der Europäischen Union reich geworden sein. Der mutmaßliche Drahtzieher des italienischen Netzwerks, Antonino Vadalà, soll demnach sogar seine ehemalige Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin, das frühere Fotomodell Mária Trošková, als persönliche Assistentin Ficos direkt ins Machtzentrum Bratislavas eingeschleust haben.

Der Journalist Ivan Mego behauptete gegenüber der „Presse“, er habe schon vor Kuciak zu den gleichen Themen recherchiert und Troškovás Hintergrund aufgedeckt. Seine Reportage sei aber aus möglicherweise politischen Gründen von der Redaktion abgelehnt worden.

ZUR PERSON

Peter Pellegrini. Der 42-jährige Vizepremier übernimmt von Robert Fico das Amt des Ministerpräsidenten. Der Ökonom war vor knapp drei Jahren zum Wissenschaftsminister und später zum Minister für Investment bestellt worden. Zuvor hatte Pellegrini als Staatssekretär im Finanzministerium amtiert. Er war zunächst als Berater von der Universität in die Politik gewechselt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2018)

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