Bayern

Hofübergabe im Freistaat: Söder zum Ministerpräsidenten gewählt

Seehofer und Söder am Freitag in München
Seehofer und Söder am Freitag in MünchenAPA/dpa/Peter Kneffel
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Der ehrgeizige Franke hat seinen Traumjob in Bayern. Söders Kür war ein jahrelanger Machtkampf vorausgegangen.

Er ist am Ziel: Freitagvormittag wählte der bayrische Landtag Markus Söder zum Ministerpräsidenten. Der ehrgeizige 50-jährige Nürnberger beerbt seinen Widersacher Horst Seehofer, der zwar CSU-Chef bleibt, nach zehn Jahren an der Spitze des Freistaats aber als Innen-, Heimat- und Bauminister in die Bundesregierung wechselt und gestern, ganz Politprofi, der Wahl Söders beiwohnte, ohne dabei eine Miene zu verziehen.

Es war der Schlusspunkt in einem Machtkampf zweier Alphatiere, der mit allerlei Intrigen ausgetragen wurde, in dem die Presse von den zerstrittenen Lagern mit „Falschmeldungen“ gefüttert wurde, um die jeweilige Gegenseite zu beschädigen – und in dem die eigentlichen Protagonisten, Seehofer und Söder, mit dröhnendem Schweigen auffielen. Von Seehofers Fintenreichtum kündet schon sein spitzbübisches Lächeln. Am Ende war Seehofer, 1,93 Meter groß, seinem Widersacher Söder, 1,94 Meter groß, jedoch nicht mehr gewachsen.

Seehofer hegt eine echte und tiefe Abneigung für Söder. Das Zerwürfnis zwischen den beiden begann spätestens 2007. Damals wurde publik, dass Seehofer ein außereheliches Kind hat. Seehofer vermutet bis heute, dass es Söder war, der die Affäre der „Bild“-Zeitung steckte. Seehofer hegt zudem Zweifel, ob der polarisierende Söder die CSU mit ihren rund 150.000 Mitgliedern und allerlei Strömungen einen kann. Einmal nannte Seehofer seinen Widersacher „vom Ehrgeiz zerfressen“. Er unterstellte ihm „charakterliche Schwächen“. Söder leiste sich „allzu viele Schmutzeleien“. Söder selbst hat andere Vorbilder als Seehofer: Edmund Stoiber zum Beispiel, der ihn einst zum CSU-Generalsekretär machte. Oder Franz-Josef Strauß, der im Posterformat von der Decke in Söders Jugendzimmer lachte. Einen "Titan", nannte ihn Söder einmal. Die tiefe Bewunderung für den streitlustigen CSU-Übervater bewog Söder auch, im Alter von 16 Jahren in die Partei einzutreten.

"Horst, es ist Zeit"

Söder hat für sein Karriereziel Ministerpräsident einen enormen Aufwand betrieben, was ihm bisweilen als „Machthunger“ ausgelegt wird. 1000 Termine spult er Berichten zufolge pro Jahr ab, 88.600 Kilometer legt er dabei zurück. Kein Dorf ist ihm zu entlegen, kein Rahmen zu klein. Söder knipst Selfies auf der Weihnachtsfeier des Ortsvereins, er zapft Bierfässer an – und er übergibt Schecks. Der vierfache Familienvater nutzt dabei geschickt seine Rolle als Finanzminister. An seiner fachlichen Kompetenz zweifeln übrigens auch seine Gegner nicht. Jenseits des Weißwurstäquators hat Söder aber viel schlechte Presse: Er wird als rechter Lautsprecher porträtiert, als machthungriger Populist. Andererseits: Den in Bayern wichtigen Bierzelttest besteht Söder mit seinen markigen Sprüchen allemal. Die Pointe ist, dass er in diesem Punkt Seehofer noch am ähnlichsten ist. Im Frühjahr 2017 schien die Stunde des Franken gekommen. Als Seehofer dann überraschend seine Wiederkandidatur ankündigte, blieb ein düpierter Söder zurück. Spätestens jetzt galt er als "ewiger Kronprinz".

Die Seehofer-Dämmerung fing dann am Abend des 24. September an. Die CSU erlebte ein Wahldebakel, sie stürzte auf 38 Prozent ab. In der Münchner Säbenerstraße, beim Fußball-Rekordmeister FC Bayern, werden Trainer ausgetauscht, wenn einmal ein Champions-League-Spiel verloren geht und es „nur“ für Platz drei in der Zwischentabelle reicht. Im Franz-Josef-Strauß-Haus, der CSU-Zentrale, müssen Parteichefs gehen, wenn die absolute Mehrheit wackelt. Wenn es um die eigenen hohen Machtansprüche geht, sind sie in München gnadenlos pragmatisch.

Irgendwann im Oktober richtete Peter Gauweiler, ein prominenter CSU-Konservativer, Seehofer via „Süddeutsche Zeitung“ aus, dass er abtreten soll: „Horst, es ist Zeit“. Später zählte ihn die Junge Union Bayern auf ihrem Parteitag an. Der Nachwuchs posierte mit Schildern, auf denen Söder als Ministerpräsident gefordert wurde: „MP Söder!“ Der Auserwählte war auch da. Nach kurzem Zögern posiert Söder an der Seite von Bayerns Jungen Unionisten, die er einst selbst angeführt hat.

Söder weiß um die Macht der Bilder

Er weiß um die Macht der Bilder. Söder ist nicht nur promovierter Jurist, sondern auch ausgebildeter Fernsehjournalíst – und ein begnadeter Netzwerker. Die CSU-Landtagsfraktion hat er fest in der Hand. Hier schlägt das Herz des Söder-Lagers, nicht im Parteivorstand. Dort hat Söder viele Gegner. Die zerstrittene Partei zu einen, wird nun eine Herkulesaufgabe. Es geht auch um inhaltliche Fragen. Es gibt nämlich mindestens zwei Schlussfolgerungen aus dem Wahlfiasko: Die eine lautet, dass die CSU nun ihr konservatives Profil schärfen muss, die andere, dass es vor allem der öffentliche ausgetragene Streit mit der CDU war, der die Wähler vergraulte.

In Umfragen steht die CSU bei schwachen 40 bis 42 Prozent. Die absolute Mandatsmehrheit bei der Bayern-Wahl im Herbst ist in akuter Gefahr. Söder muss es nun richten. Das letzte Mal ging die "Absolute" 2008 verloren. Unter dem glücklosen Duo Beckstein/Huber, der eine war Ministerpräsident, der andere CSU-Chef. Die CSU hat mit einer Doppelspitze keine gute Erfahrungen gemacht.

(ag./strei)

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