Krisen-PR bei Doppelmayr: „Glaubwürdigkeit ist oberstes Gebot“

Dieser Vierersessellift in Georgiens Skigebiet Gudauri wird zur Bestandsprobe für das Krisenteam von Doppelmayr.
Dieser Vierersessellift in Georgiens Skigebiet Gudauri wird zur Bestandsprobe für das Krisenteam von Doppelmayr.(c) REUTERS (David Mdzinarishvili)
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Im Internet sorgen seit Tagen Videos vom Unfall mit einem Doppelmayr-Sessellift in Georgien für Aufsehen. Jetzt ist beim Vorarlberger Liftbauer Krisen-PR angesagt.

Wien.Der Schnee glitzert, die Sonne strahlt – und vor der perfekten Winterkulisse im georgischen Skiort Gudauri fallen und springen die Menschen schreiend aus dem Sessellift. Solche Bilder wünscht sich kein Seilbahnunternehmen.

Die Vorarlberger Firma Doppelmayr ist mit ihnen konfrontiert. Die Lage ist dank sozialer Medien sogar schlimmer: Das Netz ist voll mit Videos des Unfalls des 2007 gebauten Vierersessellifts aus Vorarlberger Fertigung. Darauf sieht man, wie er plötzlich mit Hochgeschwindigkeit rückwärts fährt und Passagiere abwirft.

Informationen zur Unfallursache oder auch nur zu konkreten Verletztenzahlen gibt es nicht. Hier beginnt Ekkehard Assmanns Beruf, schwierig zu werden: Der Doppelmayr-Sprecher, der auch für die Krisenkommunikation zuständig ist, hat wenig Einblick in die Vorgänge in Georgien. Die Behörden haben die Hand auf den Ermittlungen. Zwei Techniker des Unternehmens sind am Unfallort, werden aber in die Beobachterrolle gezwungen. Selbst die Verletztenzahl kann Assmann nur aus Medien mit „sieben bis zwölf“ beziffern.

Zum Beobachter degradiert

Ihm bleibt nicht viel mehr übrig, als aus der Ferne eine rasche Aufklärung zu fordern und zu betonen, dass ihm in gut 20 Jahren bei Doppelmayr noch nie so ein Fall untergekommen ist. Die Vorarlberger haben seit ihrer Gründung, 1892, rund 15.000 Seilbahnen gebaut. „Sie sind das sicherste Verkehrsmittel weltweit“, betont Assmann. Ob er die wirtschaftlichen Folgen der Bilder für Doppelmayr abschätzen kann, das sich mit dem Südtiroler Konkurrenten Leitner die Weltmarktführerschaft teilt? „Nein. Das ist momentan aber auch nicht die wichtigste Frage. Wichtig ist, dass sich die Verletzten so schnell wie möglich erholen.“

Die Antwort war richtig, sagt Krisenkommunikator Harald Schiffl. Er stand vor 18 Jahren selbst den Kapruner Bergbahnen zur Seite, als 155 Menschen bei einem Tunnelbrand ums Leben kamen. Seitdem berät und analysiert er, wie Firmen in der Krise agieren müssen. „Je offener, klarer und rascher, umso besser. Glaubwürdigkeit ist das oberste Gebot.“ Das beste Negativbeispiel der jüngsten Vergangenheit bot der Autokonzern VW, als 2015 der Skandal um manipulierte Abgaswerte ausbrach: Martin Winterkorns erster Auftritt sei eine Katastrophe gewesen – er habe den Text abgelesen und nicht viel Empathie oder Verständnis für den Ernst der Lage gezeigt. Zwei Tage später war er als VW-Chef Geschichte.

Die Betroffenheit hört man Assmann am Telefon an. Doppelmayr hat aber einen anderen Fehler begangen, sagt Schiffl: „Sie haben das kommunikative Heft nicht in der Hand.“ Er erinnert an den Absturz der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr habe den Absturz zur Chefsache erklärt, die Kommunikation nicht den Behörden überlassen und sei zum mitfühlenden Gesicht des Unglücks geworden. Ein anderes positives Beispiel sei Niki Lauda, der als Chef von Lauda Air 1991 sofort in den thailändischen Dschungel flog, als dort eine Passagiermaschine verunglückte, und die Verantwortung übernahm.

Der Fall in Georgien gestalte sich schwierig, sagt der Unternehmensberater. Nicht, weil die Doppelmayr-Spitze nicht hinreisen könnte. Sondern weil die Behörden nichts nach außen dringen lassen. Die Firma darf sich laut Assmann selbst, wenn sie wollte, nicht zur Ursache äußern. Auch Fragen nach Wartungsfehlern – diese obliegen den georgischen Betreibern, nicht Doppelmayr – geht er aus dem Weg. So eine Nachrichtensperre biete in Zeiten, in denen alle gewohnt sind, Informationen in Echtzeit zu erhalten, Raum für Spekulationen, sagt Schiffl. „Vor allem wenn solche Wahnsinnsvideos kursieren, sollte man rasch etwas sagen können.“

Schaden schwer abzuschätzen

Es gebe aber eine gute Nachricht: „Die Halbwertszeit von Krisen wird in den Köpfen der Menschen immer kürzer.“ Die Flut an schockierenden Videos sei zu groß. „Kurz- bis mittelfristige Einbußen gehören zur Krise dazu.“ Gerade VW sei aber das beste Beispiel, dass sich die Folgen schwer abschätzen lassen: Die Aktie büßte in kurzer Zeit zwölf Mrd. Euro ein, fing sich aber rasch. VW ist nach wie vor Europas größter Autobauer.

IN KÜRZE

Am Freitag fuhr ein Sessellift des Vorarlberger Herstellers Doppelmayr im georgischen Skigebiet Gudauri plötzlich rückwärts. Zwölf Menschen sollen verletzt worden sein. Die Ursache ist nach wie vor unklar. Doppelmayr selbst wird nur als Beobachter an den Unfallort gelassen und kann wenig zum Unfall sagen. Das ist laut Experte Harald Schiffl ein Problem. Firmen sollten nicht anderen die Aufklärung überlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)

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