Missbrauch: "Ich habe da ein Geheimnis"

Stoffgiraffe
Stoffgiraffe(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Prävention: Der Wiener Verein „Samara" thematisiert mit Workshops in Schulen sexuellen Missbrauch.

Wien. Eine kleine Stoffgiraffe, die stolz und selbstbewusst nach oben schaut. Mithilfe dieses Stofftieres thematisiert die Psychologin Raina Ruschmann sexuellen Missbrauch und Gewalt: in Schulen, aber auch in Kindergärten.

Ruschmann ist Obfrau des Vereins „Prävention Samara". Mit ihren Kolleginnen besucht sie Bildungseinrichtungen in Wien und hält Workshops zu den Themen Gewalt und Missbrauch. „Wir achten besonders im Kindergarten auf die Sprache", sagt Ruschmann. Die müsse sensibel sein, sonst ängstige man die Kinder. So kommt der Begriff „sexuelle Belästigung" im Workshop nicht vor. Stattdessen gehe es um bewusste Wahrnehmung von Gefühlen und deren Ergründung, wenn es heißt: „Mir ist etwas Komisches passiert."

„Wir klären Kleinkinder nicht über Sexualität auf", sagt Ruschmann. Vielmehr werde vermittelt: Es gibt Handlungen und Bewegungen von Erwachsenen, die nicht in Ordnung sind. „Wenn ein Onkel ständig ,busserln‘ will und das dem Kind unangenehm ist, dann soll es hochschauen und ,Nein‘ sagen können" - wie die Stoffgiraffe. Spielerisch und mithilfe von bunten Bildern sucht Ruschmann den Kontakt zu den Kindern. Sie hält einige Bilder von Dinosauriern in der Hand: Ein Dino ist wütend, ein anderer verschränkt die Hände, ein dritter lacht. „Wir machen diese Gefühlsbewegungen nach", sagt die Psychologin. So würden die Kinder lernen, bewusst Gefühle wahrzunehmen und diese auszudrücken.

Hemmschwelle groß

Schließlich führe der bewusste Umgang mit Gefühlen auch dazu, dass missbrauchte Kinder eher über ihre Erlebnisse sprechen können. „Einige Kinder sagen ,Ich habe da ein Geheimnis‘. Aber die Hemmschwelle ist noch zu groß, um mit uns oder anderen Erwachsenen darüber zu reden", sagt Ruschmann. Ein hemmendes Gefühl sei hier das Schuldbewusstsein: Die Kinder würden oft glauben, selbst schuld an dem zu sein, was ihnen passiert ist.

„Noch ist das Interesse in den Kindergärten nicht so groß", sagt Ruschmann. Während sie bereits in „Hunderten von Schulen" gearbeitet habe, seien es nur eine Handvoll Kindergärten, die an ihren Verein herantreten. Es fehle noch das Bewusstsein, dass auch Kleinkinder sensibilisiert werden müssen. Ruschmann zeigt sich aber zuversichtlich, dass sich das ändern wird. Noch vor 20 Jahren sei es ein Tabu gewesen, überhaupt in Schulen Kinder und Jugendliche über sexuellen Missbrauch aufzuklären.

Wichtig bei ihrer Arbeit - egal, um welche Bildungseinrichtung es sich handelt - sei die Kooperation mit den Pädagogen. Diese kennen die Kinder besser und können oft auch erahnen, dass sie mit Gewalt oder Missbrauch konfrontiert werden.
Von den Eltern selbst bekomme Ruschmann größtenteils positive Resonanz, wie sie sagt: „Sie wollen schließlich ihre Kinder schützen."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2010)

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