Kinder-Schlagen als Gottesgebot: Streit um die "12 Stämme"-Sekte

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Körperliche Züchtigung gehört für die Mitglieder der "12 Stämme" zum Alltag. 42 Kinder wurden deshalb von den Behörden aus deutschen Anwesen der Sekte geholt. Der Europäische Gerichtshof hat die Beschwerde der Eltern nun abgewiesen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am Donnerstag Beschwerden von vier Familien aus der Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ abgeschmettert. Die Eltern hatten deutschen Behörden vorgeworfen, gegen das Grundrecht auf Schutz des Familienlebens verstoßen zu haben.

2013 hatten Polizisten und Sozialarbeiter 42 Kinder aus Anwesen der Gemeinschaft geholt und in die Obhut von Jugendämtern und Pflegefamilien gegeben. Ein Aussteiger hatte berichtet, jedes Kind in der Gemeinschaft werde mehrmals täglich geschlagen. Der Fernsehsender RTL zeigte heimlich gedrehte Aufnahmen von Schlägen mit einer Rute. Die Behörden entzogen das Sorgerecht für etwa 30 Kinder. Die Sekte "schützt" seitdem ihre weiteren Kinder, indem sie von Bayern nach Tschechien übersiedelt ist, nach Skálna unfern von Prag. Prügelstrafen sind in Tschechien nicht gänzlich verboten. Auch in Frankreich haben die "Zwölf Stämme" eine Niederlassung.

Sehen sich als Gottes Urvolk

„In Deutschland können wir unseren Glauben nicht nach der Bibel leben“, begründete ein Sprecher den Schritt. Die gewaltfreie Erziehung widerspreche den biblischen Anweisungen von Kindererziehung, die das Schlagen mit der Rute empfehle. Die "Zwölf Stämme" sind in Kommunen organisiert und streng hierarchisch, bei klarer Unterordnung der Frau. Männer tragen Bärte und langes Haar, sie begründen das mit der Bibel und der jüdischen Tradition. Es gibt keinen Lohn, kein persönliches Eigentum.

Der Name „Zwölf Stämme“ bezieht sich auf die zwölf Stämme Israels, denn die Sekte sieht sich als wiederhergestells Urvolk Gottes. Als Gründer in den 70er Jahren gilt der Amerikaner Elbert Eugene Spriggs, ein ehemaliger Anhänger der Jesus-People-Bewegung. Die Bewegung wuchs schnell und isolierte sich immer mehr. Schon in den 80er Jahren gab es in den USa eine Anklage wegen Kindesmisshandlung und Missbrauch, die allerdings wegen Mangel an Beweisen wieder aufgehoben wurde.

Ebenfalls in den Achtzigerjahren zog Spriggs nach Südfrankreich, wo er die Communauté de Sus (auch Tabitha's Place genannt), den europäischen Zweig der Zwölf Stämme, gründete. 1994 entstand in Pennigbüttel bei Osterholz-Scharmbeck die erste deutsche Filiale dieser Bewegung. 2001 übersiedelten die Gemeinschaften in Pennigbüttel und Stödtlen nach Bayern.

Lehrerin zu zwei Jahren Haft verurteilt

2016 wurde eine Lehrerin der ehemaligen eigenen Schule der Zwölf Stämme vom Landgericht Augsburg zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt und noch im Gerichtssaal festgenommen. Sie gab zu, ihre Schüler mit einer Rute geschlagen zu haben, unter anderem mehrmals am Tag.

Auch um die Schulpflicht gab es jahrelange Konflikte, vor allem wegen des Sexualkundeunterrichts und der Vermittlung der Evolutionslehre. Die Kinder der Gemeinschaft sollten unbeeinflusst von modernen Strömungen streng nach biblischen Grundsätzen aufwachsen, argumentierte die Sekte. Alle Verfahren wurden gegen den Heimunterricht entschieden.

(APA/red.)

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