Der Heilige Gral der Materialwissenschaften

Stefan Pogatscher, CD-Labor für Fortgeschrittene Aluminiumlegierungen.
Stefan Pogatscher, CD-Labor für Fortgeschrittene Aluminiumlegierungen.
  • Drucken

Erst weich und gut verformbar, dann möglichst hart, um etwa als Autokarosserie Sicherheit zu bieten: Alu-Legierungen der Zukunft sollen wahre Alleskönner sein. Leobener Forscher arbeiten daran in einem neuen Labor.

Wie kann sich ein Material im Produktionsprozess gut verformen lassen und letztlich doch ein sehr festes Produkt bilden? Der Metallurg Stefan Pogatscher bezeichnet diese Frage als den „Heiligen Gral der Materialwissenschaften“. Einer Antwort will er als Leiter des am Mittwoch an der Montan-Uni Leoben eröffneten Christian-Doppler-Labors (CD-Labors) für Fortgeschrittene Aluminiumlegierungen zumindest ein Stück näher kommen. Die Ziele sind ehrgeizig: Man wolle neue Standards bei Aluminiumlegierungen setzen, sagt Pogatscher. Aus diesen sollen sich komplexere Bauteile für die Automobilbranche fertigen lassen, als das heute möglich ist; sie soll der Hauptnutznießer der neuen Entwicklungen sein.

Bisher wird Aluminium in erster Linie in der Luftfahrt und für hochpreisige Autos eingesetzt. Dabei ließen sich bei Autos bis zu 40 Prozent des Gewichts – und damit auch CO2-Emissionen – einsparen, sagt Pogatscher. Neue Regulative zwingen Hersteller und Zulieferindustrie, ihre Produkte in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln. „Mit der üblichen Bauweise aus Stahl geht das nicht“, sagt der Forscher. Und bisher genutzte Alu-Legierungen seien den hohen Anforderungen noch nicht gewachsen: Schließlich müssen sie einem Crash standhalten, sich aber auch zu gelungenem Design formen lassen. „Die Autos sollen ja nicht nur umweltfreundlich sein, sie sollen sich auch verkaufen.“

Neue Rezepte für Legierungen

Damit das gelingt, verfolgen die Wissenschaftler am CD-Labor zwei Strategien. Sie wollen erstens herausfinden, wie sich der Herstellungsprozess besser regeln lässt. Derzeit wird Aluminium nach dem Erwärmen abgeschreckt und härtet mehrere Stunden oder Tage lang unkontrolliert aus. Die Forscher experimentieren daher an neuen, besseren Rezepten für Alu-Legierungen. Durch beigefügte Spurenelemente wie etwa Zinn lässt sich die Härtungsreaktion präzise aus- oder einschalten. Zweitens versuchen sie, unterschiedliche Legierungsklassen zu kombinieren und so die jeweils besten Eigenschaften zu verbinden.

Das Team um Pogatscher am Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie baut in seinen Untersuchungen auf jahrelange Vorarbeiten auf, für die es 2016 bereits mit dem Houska-Preis, der am höchsten dotierten Auszeichnung für anwendungsorientierte Forschung in Österreich, belohnt wurde. Die Wissenschaftler simulieren die Vorgänge zuerst am PC, dann testen sie die Materialien im Labor, und schließlich untersuchen sie mit leistungsstarken Mikroskopen, was sich tief im Inneren verändert. „Wir wollen genau verstehen, was wir bewirken. Dazu müssen wir weit ins Material hineinschauen“, erklärt Pogatscher. Dazu wird in Leoben nun auch ein Rastertransmissionselektronenmikroskop angeschafft. „Die Atome von Zusatzstoffen gruppieren sich in Legierungen, das macht sie fester. Wir beobachten, wie schnell sie während des Aushärtens wandern und wohin“, so Pogatscher.

Anschließend testen die Forscher die mechanischen Eigenschaften und wie gut sich das Material verformen lässt – um dann am PC weitere Verbesserungen zu simulieren: ein Kreislauf, an dessen Ende in sieben Jahren – das ist die maximale Laufzeit eines CD-Labors – Aluminiumlegierungen stehen sollen, die den hohen, auch vom Industriepartner AMAG Rolling in sie gesetzten Erwartungen standhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.