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Hämmerer des Jazzklaviers: Cecil Taylor ist tot

Cecil Taylor 2007 in New York
Cecil Taylor 2007 in New York(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Er war eine zentrale Figur des Freejazz, machte die Tasten zu Trommeln: Nun ist Pianist Cecil Taylor im Alter von 89 Jahren gestorben. Eine Erinnnerung, auch an seine Auftritte in Wien.

Christoph Huber, Maître des Wiener Jazzlokals Porgy & Bess, war 2006 direkt mit ihm in Kontakt: Gage, Imperial-Suite und Erste-Klasse-Flug waren ausverhandelt. Dem ersehnten Clubkonzert schien nichts im Wege zu stehen. Bis Cecil Taylor am Vorabend des Konzerts anrief und sich als unabkömmlich erklärte: Grund dafür war eine ausufernde Party nach einem Konzert in New York.

Beim nächsten Versuch, diesen Großen des Jazz zu verpflichten, klappte es: Taylor übte zum Erstaunen Hubers drei Tage lang tagsüber im Porgy. Einen bangen Moment galt es noch zu überstehen, als sich Taylor kurz vor Konzertbeginn in der Garderobe einsperrte und lange nicht öffnete. Endlich erschien er in orangen Socken und mit einem Konvolut an mit Geheimschrift versehenen Papieren. Mit einem Buttermesser stach er dann dem Fazioli-Flügel in die Eingeweide, lief um ihn herum, stieß Kleinkindlaute aus. Irgendwann nahm er doch am Schemel Platz und erfrischte mit überraschend melodiösen Einschüben . . .

"Die Ausdauer eines Athleten"

Schlagzeuger Tony Oxley meinte einmal, dass man, um mit Taylor zu spielen, „die Ausdauer eines Athleten und die Fantasie Gottes“ brauche. Sitzfleisch brauchte auch Taylor selbst. Als eine Hauptfigur des Freejazz, auf Augenhöhe mit John Coltrane und Ornette Coleman, musste er lange auf Anerkennung warten. In Queens aufgewachsen, am New England Conservatory in Boston ausgebildet, nahm Taylor 1956 seine erste Platte „Jazz Advance“ auf. Richtig auffällig wurde er aber erst 1963 mit „Live At Café Montmartre“: Gewandt wich er darauf geradlinigen Melodien aus, verblüffte mit seinem kurzen, perkussiven Anschlag.

Taylor verwandelte gewissermaßen die Klaviertasten in Trommeln. Dafür wurde er zu Beginn seiner Karriere geschmäht, ja ausgelacht. Um sie zu finanzieren, musste er als Tellerwäscher in Restaurants arbeiten. Das war für Freejazzer nicht so ungewöhnlich: Auch Ornette Coleman musste sich als Aufzugswärter in einem Kaufhaus verdingen.

Klassiker: „Conquistador“

In den Sechzigerjahren durfte Taylor nur mehr zwei Soloalben aufnehmen – beim traditionellen Blue-Note-Label, das sich sonst nicht gerade auf die Avantgarde stürzte. „Conquistador“ (1966) wurde zum Klassiker, wie das 1968 eingespielte Concerto, publiziert unter dem Signet „The Jazz Composer's Orchestra“, komponiert vom damals erst 24-jährigen Michael Mantler aus St. Pölten.

In den Siebzigern mischte Taylor die New Yorker Loftjazz-Szene auf, perfektionierte seinen unorthodoxen Stil. Allmählich etablierte er sich. Ein Guggenheim-Stipendium und eine Einladung von Präsident Carter ins Weiße Haus waren erste Formen von Anerkennung. Seit den Achtzigern galt er als Hohepriester der freien Form, die viele gar nicht dem Jazz zurechnen wollen. Nicht ungern lebte Taylor diese Form von Außenseitertum, die durchaus als eine Art Schönberg-Schicksal interpretiert werden kann, war doch sein Ansatz auch von der sogenannten ernsten Musik geprägt.

Nun ist Cecil Taylor, der nie den würdigen alten Meister gab, lieber freudig seine Schrulligkeiten ausstellte, 89-jährig gestorben.

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