Arbeitsmarkt: Neues Miteinander gesucht

FILE PHOTO: A van carrier transports a container at the container terminal ´Burchardkai´ of the Hamburger Hafen und Logistik AG in the harbour of Hamburg
FILE PHOTO: A van carrier transports a container at the container terminal ´Burchardkai´ of the Hamburger Hafen und Logistik AG in the harbour of Hamburg(c) REUTERS (Fabian Bimmer)
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Der Einsatz automatisierter IT-Prozesse verändert das Berufsbild des Logistikers nachhaltig. Der Mensch hinter der Technik wird aber auch in Zukunft immer noch unverzichtbar bleiben.

Was muss ein Logistiker heute an Qualifikationen mitbringen? Diese Frage stellen sich mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung nicht nur orientierungssuchende Jugendliche, sondern auch Unternehmen und Bildungseinrichtungen. Wichtig ist: Transportgut und Absatzkanal entscheiden über die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt.

„An allen Standorten sind nach wie vor viele Logistikprozesse manuell“, weiß Linda Hübner vom Onlineversandhändler Zalando. Diese Aussage der Pressesprecherin für die D-A-CH-Region hat Gewicht – beschreibt sie doch den Zustand eines jungen, großen Unternehmens, das europaweit Logistikstandorte betreibt. Vier von ihnen liegen in Deutschland sowie weitere in Frankreich, Italien, Polen und Schweden. Manuell wird es auch „in den nächsten Jahren“ bleiben, prognostiziert Hübner und begründet dies unter anderem mit dem eigenen Produktangebot. Es liege nicht zuletzt daran, dass Mode eine komplexe Warengruppe ist: „Ein Schuh wird anders gelagert und verpackt als ein T-Shirt oder ein Abendkleid.“ Altmodisch geht es bei dem Onlinehändler dennoch nicht zu, denn er setze dort Automatisierungstechniken ein, „wo sie Mitarbeiter entlasten und die Produktivität erhöhen, ohne die Flexibilität einzuschränken“. Neue Arbeitsplätze entstünden in den Logistikzentren aber auch – „zum Beispiel in Materialflusstechnik, Ingenieurswesen und IT“, sagt Hübner.

Unsichere Langfristperspektiven

Logistik fällt überall an, wo Handel stattfindet – insbesondere auch im Zusammenhang mit Straßenverkehr. Viel populärer und kontroverser ist dort auch die öffentliche Diskussion um autonome Prozesse. Fast grotesk scheint hierbei die Situation, dass derzeit händeringend nach Lenkpersonal gesucht wird. Es ist seit einigen Monaten ein Dauerthema und kommt etwa auch bei einem Arbeitskreis in der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer zur Sprache. Dort, in Bratislava, sitzen west- und osteuropäische Logistikakteure mit Personalverantwortung regelmäßig gemeinsam am Tisch. Ein Stimmungsbild verrät: Die Bereitschaft zur Zahlung höherer Löhne und zu mehr Qualifikationsmaßnahmen steigen vonseiten der Wirtschaft, während junge Arbeitskräfte sich fragen, ob sie auch in 30 Jahren noch hinter dem Steuer sitzen und an der Rampe stehen werden.

Denn Lehrlinge müssen sich heute fragen: Welche Rolle spielen autonome Lkw bald? Fritz Müller, Geschäftsführer von Müller Transporte, äußerte sich vergangenes Jahr auch zu diesem Thema. Ihm zufolge bleibt der – heute händeringend gesuchte – Lenker dem Lkw wohl auch noch länger erhalten. Die Meinung des Transporteurs mit Sitz in Wiener Neudorf: Bis zur Marktreife wirklich fahrerloser Systeme seien noch viele Schritte notwendig. Zunächst wären ihm zufolge wohl gewisse Strecken wie beispielsweise Hub-zu-Hub-Verkehre zwischen Wien und Salzburg denkbar.

Zur Problematik, den durch Digitalisierung verursachten Wandel den Mitarbeitern näherzubringen, sagt Müller: „Die Kunst sehe ich heute darin, dass du deine nächste Führungsschicht mitnimmst und jenen wiederum mitgibst, dass sie ihre Mitarbeiter in ihren Abteilungen mitnehmen.“

Stapler und Fahrer weiter gefragt

Experte für Logistikberufe ist das Berufsförderungsinstitut – kurz BFI. Damit betreiben die österreichischen Kammern für Arbeiter und Angestellte und der Österreichische Gewerkschaftsbund einen privaten und bundesweiten Dachverband, der sich nach eigenen Angaben für die „Durchlässigkeit aller Bildungswege“ einsetzt. Wie bei Müller Transporte sind auch dort klassische Berufe innerhalb der Logistikbranche noch lang nicht vom Aussterben bedroht. So habe das BFI nach eigenen Angaben zwischen 2010 und 2015 über 1700 zertifizierte Staplerfahrer ausgebildet und mehr als 900Berufskraftfahrern beim Erlangen des gesetzlich vorgeschriebenen Fahrerqualifizierungsnachweises geholfen.

Dass derzeit viel im Wandel ist, sieht man am Beispiel Zalando. Außer neuen Ingenieuren und IT-Mitarbeitern kommt etwa Automatisierungstechnik, wie der „Bagsorter“ an Logistikstandorten zum Einsatz. „Besonders nachgefragte Produkte werden hier zwischengelagert, direkt zum Verpacken transportiert und können so schneller verschickt werden“, erklärt Hübner.

Ein weiteres Beispiel ist ein modernes Lager des Lebensmittelhändlers Spar. In Ebergassing nahe Wien gibt es immer noch den Kommissionierer als Mitarbeiter, aber eben auch autonome Shuttles. Und in Ballungsräumen stehen neue, klassische Muskeljobs auf der Gehaltsliste großer Unternehmen wie UPS oder GLS. So gehören auch Cargo-Bikes immer mehr zum Stadtbild: Sie transportieren Briefe, Pakete oder im Internet bestellte Lebensmittel.

INFORMATION

Innovation an der Rampe. Auch die Schnittstelle zwischen Lkw und Lagerhalle – die Laderampe – ist ein Ort des neuen Miteinanders. Wissenschaftler arbeiten mit der Österreichischen Post an einem „Entladeteppich“. Die Technik ersetzt Muskelkraft und spart Zeit. Ingeborg Gratzer, Pressesprecherin des Logistikkonzerns, grenzt das Einsatzgebiet jedoch ein: „Primär wurde die Lösung für die Entladung von Wechselbrücken oder Lkw in Verteilzentren der Kep-Branche entwickelt.“ Im Fokus stehen demnach Kurier-, Express- und Paketdienste:ein Logistikbereich, den das Internet beflügelt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2018)

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