Palästinenserprotest in Gaza verliert merklich an Elan

Jugendliche und junge Männer als Hauptaktivisten der Gaza-Proteste.
Jugendliche und junge Männer als Hauptaktivisten der Gaza-Proteste.REUTERS
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Drei Wochen nach Beginn des „Großen Marschs der Rückkehr“ ist die Zahl der Protestierer in Gaza rückläufig.

Tel Aviv. Trotz der Kritik im In- und Ausland hält Israels Armee am Einsatz von Scharfschützen im Grenzgebiet zum Gazastreifen fest. Beim palästinensischen „Großen Marsch der Rückkehr“, der gestern Freitag bereits in die dritte Woche ging, gab es erneut Verletzte auf der palästinensischen Seite der Grenze. Mehr als 500 Menschen litten infolge des Tränengaseinsatzes unter Atemproblemen und schmerzenden Augen. Die Armee meldete mehrere Versuche, die Grenzsperre zu beschädigen, nachdem Palästinenser Molotowcocktails und Sprengsätze Richtung Israel geworfen hatten.

Die Kundgebungen standen diesmal unter dem Motto „Die palästinensische Fahne hissen und die israelische Fahne verbrennen“. Insgesamt ist die Zahl der Demonstranten seit Beginn der Unruhen allerdings stark rückläufig. Waren es vor drei Wochen noch mehrere Zehntausend Menschen, sollen es am Freitag etwa 10.000 gewesen sein.

Vor allem nur noch junge Männer

Außerdem waren zu Beginn des Protests noch zahlreiche Familien mit ihren Kindern dabei; nun aber dominierten bei den aktuellen Kundgebungen Jugendliche und junge Männer, die Autoreifen anzündeten.

Der israelische Oppositionspolitiker Jair Lapid, Chef der Zukunftspartei, verteidigte vor Journalisten im Grenzgebiet die Politik der Regierung. „Kein Land würde zulassen, dass Hunderte Terroraktivisten eindringen.“ Die Armee habe die Aufgabe, das zu verhindern, und das „tut sie nach gesetzlichen Vorschriften“. Die Todesfälle an der Grenze schreibt Lapid der Hamas zu, die „Frauen und Kinder an die Grenze treibt und zu menschlichen Schutzschildern macht“.

Menschenrechtsorganisationen und westliche Regierungen konzentrieren ihre Kritik dennoch auf das Vorgehen der Soldaten und den Einsatz von Scharfschützen. 34 Menschen sind bei den Protesten seit Ende März erschossen worden, mehr als 3000 trugen laut Amnesty International (AI) Verletzungen davon. Alle Getöteten waren unmittelbar am Grenzzaun aktiv und wollten diesen durchbrechen – Israel aber hatte vor Beginn der Proteste vor drei Wochen deutlich mitgeteilt, dass geschossen werde, wenn eine Grenzverletzung drohe.

Empörung löste inzwischen ein Video aus, das einen Palästinenser zeigt, der unter Beschuss gerät und zu Boden fällt, während aus dem Off die begeisterte Stimme eines Soldaten zu hören ist, der ihn „Hurensohn“ nennt. Allerdings war das Video, wie sich erwies, im Dezember aufgenommen worden – und nicht bei den jüngsten Protesten.

In einem offenen Brief appellierten fünf Ex-Scharfschützen der Armee, von der Order, auch unbewaffnete Demonstranten zu erschießen, abzulassen. Der Angriff auf „Unschuldige in Gaza“ sei nur nötig, um „die Herrschaft der Besatzung“ aufrechtzuerhalten. „Wir sind voll Scham und Mitleid“, heißt es in dem am Freitag von „Haaretz“ und dem britischen „Guardian“ publizierten Brief.

Verteidigungsminister Avigdor Lieberman bekräftigte seine Warnungen an die Hamas. „Ihr werdet uns nie brechen“, meinte er und riet, „nicht mehr darüber nachzudenken, wie ihr den Staat Israel zerstören könnt, sondern wie ihr Seite an Seite mit Israel existieren könnt“. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach von „ernsten Fragen über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Gewalt“. Dazu gehöre der Tod des palästinensischen Journalisten Jassir Murtadscha, der vorige Woche die Proteste gefilmt hatte, bis ihn Soldaten mit einem Bauchschuss töteten. Murtadscha, der für BBC und Al Jazeera arbeitete, sei, so spekulierte Lieberman hernach, „von der Hamas bezahlt worden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2018)

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