Neun Jahre Haft im Terrorprozess: „Die Ideologie ist noch in ihm drinnen“

LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN WIEN
LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN WIENAPA/HANS PUNZ
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Neun Jahre Haft für einen jugendlichen IS-Anhänger, der eine 16-jährige Deutsche zu einem gemeinsamen Selbstmordanschlag überreden wollte. Dass er auch einen Zwölfjährigen anstiften wollte, glaubten die Geschworenen nicht.

Wien. Es geht um Anstiftung zum Terrormord. Nicht „nur“ um Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Und der Staatsanwalt blieb auch am Freitag, in der Schlussphase des großen Wiener Terrorprozesses gegen Lorenz K. (19), dabei: K. habe Ende 2016, als 17-Jähriger, einen damals gar erst Zwölfjährigen dazu angestiftet, eine selbst gebaute Nagelbombe auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) zu zünden. Der Bursch war mit der Bombe bereits am Ziel. Er schaffte es aber nicht, den Sprengsatz zu zünden.

Es habe keine Anstiftung gegeben, erklärte am Freitag Verteidiger Wolfgang Blaschitz in seinem Plädoyer. Der Zwölfjährige sei schon von sich aus entschlossen gewesen, einen Anschlag im Namen der Terrormiliz Islamischer Staat, IS, durchzuführen.

Und tatsächlich – zumindest in diesem einzigen Punkt folgt das Gericht der Verteidigung. Diesbezüglich erfolgt ein Freispruch. Nicht aber in allen anderen Anklagepunkten, und die Liste ist lang: Unter anderem soll K. versucht haben, im deutschen Neuss nahe Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) die damals 16-jährige Deutsche Amal E. dazu zu bringen, gemeinsam mit ihm einen Selbstmordanschlag zu begehen. Die Jugendliche stieg aber aus. Zuvor war sie von K. so weit bearbeitet worden, dass sie nur noch voll verschleiert auf die Straße ging.

Lorenz K. selbst kehrte nach seinem Aufenthalt in Deutschland, wo er sogar vorübergehend festgenommen worden war, nach Österreich (Wien) zurück, wo er Ende Jänner 2017 in U-Haft genommen wurde. Anschlagspläne für Österreich hatte er aber offenbar schon im Dezember 2016 skizziert. Aus einem sichergestellten Chat ergibt sich, dass Lorenz K. einen Mann, der als IS-Verbindungsmann gilt, gefragt hatte, ob auch eine Operation Österreich im Sinne des IS sei.

Dass Lorenz K. mittlerweile geläutert, vielleicht sogar deradikalisiert ist, nimmt ihm die Staatsanwaltschaft nicht so recht ab: „Da ist ein Prozess im Gange, der noch lange nicht abgeschlossen ist.“ Und: „Die Ideologie ist noch in ihm drinnen.“

„Riesenmist gebaut“

Lorenz K. selbst meinte bei Prozessende, noch vor der Urteilsverkündung: „Ich habe einen Riesenmist gebaut.“ Er gestand zu, dass er – nachdem er 2016 der Terrormiliz die Treue geschworen hatte – noch immer „nicht komplett geheilt“ sei. Wohl nicht ganz dazu passender Nachsatz: „Aber von dieser Ideologie distanziere ich mich.“

Die Geschworenen berieten danach stundenlang. Der 19-Jährige wurde von ihnen in den zentralen Anklagepunkten – versuchte Bestimmung zum Mord in zwei Fällen, jeweils in Form einer terroristischen Straftat – mehrheitlich schuldig erkannt. Schuldsprüche setzte es mit geringen Modifikationen auch in den weiteren Anklagepunkten Beteiligung an einer versuchten vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel in Form einer terroristischen Straftat, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie in einer kriminellen Organisation, Gutheißen terroristischer Straftaten und Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Wolfgang Blaschitz erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.
Dass das Gericht vom Widerruf seiner 20 Monate aus der Vorstrafe absieht, quittierte K. mit: „Ist mir doch scheißegal.“ Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er das Urteil verstanden hat, kommt als Antwort: „Und da wundern Sie sich, wenn solche Sachen passieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2018)

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