Die Hafenmetropole plant ein Fußballfest – und träumt vom Finale in Lyon.
Marseille. Das Stade Vélodrome als imposante Heimstätte, knapp 62.000 Zuschauer als fanatische Hintergrundkulisse, Stars wie Frankreichs EM-Held Dimitri Payet in den eigenen Reihen und dazu eine schillernde Historie mit Triumphen und Skandalen: In Frankreichs Fußball ist Olympique Marseille ein Schwergewicht.
Paris oder Monaco haben dem Traditionsklub (Dritter in der Ligue 1) den Rang abgelaufen, auch hat Salzburg mit den Weiß-Blauen in der Gruppenphase (0:0, 1:0 Tor Dabbur) bereits Bekanntschaft gemacht – doch Marseille deshalb zu unterschätzen wäre ein kapitaler Fehler. Dass zudem das übliche RB-Pressing-Spiel gegen diesen Klub einfach nicht funktioniert, erlebte zuletzt Leipzig bei der deutlichen 2:5-Demontage.
Auch OM, neunfacher Meister und bis dato weiterhin Frankreichs einziger Champions-League-Sieger (1993), durchlebte Tiefs aufgrund zwielichtiger Verflechtungen in die Politik und Wirtschaft (Bernard Tapie, Robert Louis-Dreyfus), Mitte der 1990er-Jahre war der Klub beinahe bankrott.
Seit Oktober 2016 läuft aber bei Marseille alles nach klaren Vorgaben. Mit Frank McCourt übernahm ein US-Unternehmer, einst Besitzer der Baseballer Los Angeles Dodgers, die Anteile der Mehrheitsaktionärin und Louis-Dreyfus-Witwe Margarita. Der 64-Jährige krempelte alles um. Jacques-Henri Eyraud wurde Präsident, Rudi Garcia neuer Trainer, und Spaniens Torhüter-Ikone Zubizarreta avancierte zum Sportdirektor. McCourt will bis 2020 250 Millionen Euro investieren, das EL-Halbfinale kommt seinen Träumen wie gerufen. Dem Europa-League-Gewinner winkt ja der Jackpot mit dem Champions-League-Fixplatz.
Payet gab Spielern und Fans eine klare Mission mit, der „L'?quipe“ sagte er: „Das Finale steigt in Lyon. Da müssen wir als Franzosen unbedingt dabei sein – und gewinnen.“ Bei den Fans funktionierte es, 45.000 versuchten gleichzeitig online ihr Ticket zu ergattern, vergebens. Die Stadtverwaltung erwägt, Public-Viewing zuzulassen – für ein Duell gegen Österreichs Meister. (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2018)