Mehr als 300.000 Menschen sind in Österreich arm

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THEMENBILD: ARBEITSLOSIGKEITAPA/DPA/JULIAN STRATENSCHULTE
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1,56 Millionen Menschen gelten hierzulande als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Seit 2015 stagniert die Quote, im Zehnjahresvergleich ging sie deutlich zurück.

Auf Urlaub fahren, ein Auto und ein Fernseh-Gerät besitzen, jeden zweiten Tag Fleisch oder Fisch essen, die Wohnung im Winter warm halten: Wer sich das nicht leisten kann, gilt in Österreich als definitiv arm. Oder, um es im Fachjargon zu formulieren: Als “erheblich materiell depriviert”. Das traf im Vorjahr auf 323.000 Menschen in Österreich zu - oder 3,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im Vergleich zum Jahr 2016 war das ein leichter Anstieg. Wegen der großen Schwankungsbreite mahnen Statistiker dazu, Einjahresvergleiche mit Vorsicht zu genießen. Ein besseres Bild geben Langzeitvergleiche ab. Vor zehn Jahren fielen noch 5,9 Prozent der Menschen in Österreich in diese unschöne Kategorie.

2008 verschrieb sich die EU offiziell der Armutsbekämpfung. Mit dem Ziel, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen von 120 auf 100 Millionen zu senken. Österreich sollte demnach bis 2020 um 235.000 armuts- und ausgrenzungsgefährdete Personen weniger haben als 2008. “Bisher wurde eine Reduktion um 136.000 Personen erreicht”, sagt Konrad Pesendorfer, Leiter der Statistik Austria.

Die “materielle Deprivation” ist nur einer von mehreren Indikatoren, um Armut zu erfassen. Eine zweite ist die Armutsgefährdung: In diese Gruppe fallen Haushalte, deren verfügbares Einkommen (inklusive Sozialtransfers) weniger als 60 Prozent des Medianwertes ausmacht. Aktuell liegt die Schwelle bei 1238 Euro im Monat für Singles, der Betrag erhöht sich für Paare und mit Kindern. 14,4 Prozent der heimischen Haushalte sind demnach armutsgefährdet, vor zehn Jahren waren es 15,2 Prozent.

Arbeitslosigkeit ein Hauptgrund

Schließlich sehen sich die Statistiker an, in welchem Ausmaß die Haushalte am Erwerbsleben teilnehmen - also bezahlt arbeiten. 545.000 Personen oder 8,3 Prozent der Bevölkerung leben in einem Haushalt mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität. Sie arbeiten weniger, als sie theoretisch könnten. Langzeitarbeitslose sind wenig überraschend besonders häufig armutsgefährdet.

Armutsgefährdet, materiell “depriviert”, keine bis niedrige Erwerbstätigkeit: Wer in mindestens eine dieser Kategorien fällt, gilt als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Im Vorjahr waren das 18,1 Prozent der heimischen Bevölkerung oder 1,563 Millionen Menschen. Seit 2015 stagniert die Quote, im Langzeitvergleich geht sie aber zurück: Vor zehn Jahren lag die Quote noch bei 20,6 Prozent. Damit liegt Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 23,5 Prozent. Wer in mindestens zwei der genannten Kategorien fällt gilt als “mehrfach-ausgrenzungsgefährdet”. Das trifft auf fünf Prozent der Bevölkerung in Österreich zu. Diese Menschen sind stark von Sozialleistungen und Arbeitslosengeld abhängig, sie bestreiten im Schnitt 68 Prozent ihres Einkommens mit Sozialtransfers. Neben Langzeitarbeitslosen haben Nicht-EU-Bürger und Alleinerziehende das größte Armutsrisiko.

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