Wie Sie Großaufträge gewinnen

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Kolumne "Hirt on Management". Folge 71.

In unserer Rubrik„Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte und -berater, Executive Coach und Keynote Speaker alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Frage:

Worauf kommt es an, wenn ich Großaufträge gewinnen möchte?

Michael Hirt antwortet:

Großaufträge sind für viele Unternehmen entscheidende Schritte zur massiven Beschleunigung ihres Wachstumspfades.

Das Gewinnen von Großaufträgen ist eine komplexe und vielschichtige Aufgabe, die strategisches Denken, Planung, disziplinierte und koordinierte Umsetzung und Durchhaltevermögen erfordert, denn Großaufträge haben typischerweise einen deutlich längeren Vertriebszyklus und vielschichtigeren Verkaufsprozess als der Einzelvertrieb von Produkten oder Dienstleistungen. Wir reden hier also eher von einem Marathon, als von einem Sprint.

Folgende Punkte haben sich aus meiner Erfahrung beim Gewinnen von Großaufträgen bewährt:

Verstehen Sie den Einkaufsprozess
Die Vergabe der meisten Großaufträge entscheidet sich schon deutlich bevor die Ausschreibung (RFP) des Kunden an mögliche Anbieter heraus geht. Entwickeln Sie daher eine umfassende Akquisitionsstrategie, die Ihnen insbesondere auch ermöglicht, die Art und Weise zu beeinflussen, wie der Kunde, den Einkaufsprozess gestaltet, sein Einkaufsbudget erstellt, seine Anforderungen definiert und die Ausschreibung gestaltet.

In einer idealen Welt positionieren Sie sich natürlich als „Sole Source“, also als der einzige Anbieter der überhaupt eine zufriedenstellende Lösung bringen kann und verhindern dadurch, dass eine Ausschreibung stattfindet. Leider leben wir nicht immer in der idealen Welt.

Suchen Sie sich Ihre Beute gut aus
Die Jagd nach Großaufträgen ist aufwändig und kostenintensiv. Die Profis verfügen über klare Kriterien, in welche potentiellen Aufträge sie Ihre Energie investieren, um dann dort, durch Konzentration der Kräfte und besten Mitarbeiter, hohe Erfolgsraten zu erzielen.

Entwickeln Sie einen klaren Schlachtplan
Der Kernpunkt ist, wie Sie Ihr Angebot von dem des Wettbewerbs unterscheiden, insbesondere in den Dimensionen, die für die wichtigsten Entscheider des Kunden relevant sind.

Dabei gibt es zahlreiche Dinge, die Sie beeinflussen können und müssen, wie zum Beispiel die Art und Weise wie Ihr potentieller Kunde Sie und Ihr Angebot wahrnimmt, aber auch wie der potentielle Kunde Ihren Wettbewerb und sein Angebot wahrnimmt.

Nicht zuletzt müssen Sie auch so früh wie möglich damit beginnen, Ihre technische Lösung vorausschauend zu entwickeln und anzupassen, um in denjenigen technischen Dimensionen stark zu sein, die für die Entscheidung des Kunden hoch gewichtet sind und keine Zeit und Geld für die Entwicklung und Perfektionierung technischer Dimensionen und Leistungsmerkmale zu verschwenden, die letztendlich nicht entscheidungsrelevant sind.

All das bedeutet, dass Sie so früh wie möglich mit der Entwicklung und Umsetzung ihres Schlachtplans beginnen müssen. Wenn Sie die Einladung zur Ausschreibung erhalten, ist es meistens nämlich schon zu spät. Dann sind Sie nämlich in den meisten Fällen nur mehr ein „Stalking Horse“, also ein Pferd, dass dazu benutzt wird, um das Tempo des Gesamtfeldes zu erhöhen, das aber keine Chance zu gewinnen hat.

Finden Sie den optimalen Preis
Um bei Ausschreibungen zu gewinnen, müssen Sie nicht nur die Ausschreibung mitgestalten („Presales“), sondern auch noch einen Angebotspreis machen, der die richtige Balance zwischen der Erfüllung der technischen Anforderungen des Kunden und seinen preislichen Anforderungen findet und das auch noch besser als die Angebote der Wettbewerber.
Das erfordert, dass Sie möglichst umfassendes Wissen über die technische Lösung, Stärken und Schwächen und den wahrscheinlichen Angebotspreis Ihrer Wettbewerber haben. Nur zur Sicherheit: Wir reden hier von professioneller „Competive Intelligence“, nicht von irgendwelchen illegalen Tricks, mit denen Sie im Zuchthaus landen.

Entwickeln und koordinieren Sie ein Team
Großaufträge werden typischerweise von bereichs- bzw. abteilungsübergreifenden Teams mit klaren Zielen und entsprechenden Ressourcen an Land gezogen. Dabei ist sicherzustellen, dass die zahlreichen Teammitglieder gut koordiniert vorgehen und gegenüber allen Kundeneinheiten die selbe Sprache sprechen und die selbe Nachricht übertragen.

Bleiben Sie bis zum Ende dran
Wenn Sie Ihr Angebot abgeben, ist die Geschichte meist noch lange nicht vorbei. Typischerweise finden dann noch Verhandlungen mit einer Auswahl der Bieter statt.

Deshalb ist es wichtig, dass Sie in Ihrem Angebot bereits den noch folgenden Verhandlungprozess vorher gesehen und einberechnet haben.

Jetzt gilt es, das Entscheidungsteam des Kunden weiterhin in Ihrem Sinne zu beeinflussen.
Außerdem kann es in dieser Phase zu informellen Interventionen auf höchster Ebene, durch Sie oder Ihre Mitbewerber kommen, dies sogar noch nach dem Zuschlag an einen Bieter. Auch darauf sollten Sie vorbereitet sein.

Warum das Ganze?
Wenn Sie sich nach all diesen Punkten fragen, warum Sie sich das alles antun sollen, dann kann ich Ihnen empfehlen, den Aufwand für die Gewinnung von zehn mittleren Aufträgen zu addieren und dann mit dem Aufwand für die Gewinnung eines Großauftrages zu vergleichen.

Meine Erfahrung ist, dass bei den meisten Unternehmen, wenn man weiß was man tut und strukturiert vorgeht, der Aufwand für die Gewinnung eines Großauftrages, der zehnmal so groß wie ein mittlerer Auftrag ist, nur 2-4 mal so hoch ist, wie der Aufwand zur Gewinnung eines mittleren Auftrages.

Großaufträge sind daher meist ein sehr guter Einsatz ihrer Akquisezeit und -ressourcen und bringen ihr Unternehmen auf eine exponentielle Wachstumskurve.

Das Wichtigste in Kürze

Das Gewinnen von Großaufträgen ist eine komplexe und vielschichtige Aufgabe, die strategisches Denken, Planung, disziplinierte und koordinierte Umsetzung und Durchhaltevermögen erfordert, denn Großaufträge haben typischerweise einen deutlich längeren Vertriebszyklus und vielschichtigeren Verkaufsprozess als der Einzelvertrieb von Produkten oder Dienstleistungen. Wir reden hier also eher von einem Marathon, als von einem Sprint. Großaufträge sind aber meist ein sehr guter Einsatz ihrer Akquisezeit und -ressourcen und bringen ihr Unternehmen auf eine exponentielle Wachstumskurve.

In „Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor alle 2 Wochen Fragen von ManagerInnen zu herausfordernden Situationen und kritischen Managemententscheidungen.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 24. Mai 2018 zur Frage: Wie Sie Ihre Emotionen in den Griff bekommen.

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

Dr. Michael Hirt, geboren 1965 in Wien, ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu schnellen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, Kanada (McGill) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

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