Fremdenrechtspaket verursacht mehr Arbeit, Verfahren und Kosten

Symbolbild: Asylwerber
Symbolbild: Asylwerber(c) Clemens Fabry (Presse)
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Das Innenministerium rechnet mit zwischen 5000 und 15.000 zusätzlichen Verfahren. Experten stellen die geplante Beschleunigung der Verfahren infrage.

Das von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorgelegte Fremdenrechtspaket verursacht den Behörden mehr Arbeit und mehr Kosten. Denn: Asylwerbern Bargeld und Handys abzunehmen muss durchgeführt, Daten ausgelesen, dokumentiert und verwaltet werden. Das Ressort selbst rechnet (laut Vorblatt) mit zumindest zwischen 5000 und 15.000 zusätzlichen Verfahren. Für das Bundesverwaltungsgericht würde das - niedrig geschätzt - zehn Prozent mehr neu anhängigen Fälle bedeuten. Damit würde der "Rucksack" vergrößert, warnt Präsident Harald Perl am Samstag. Schon jetzt übersteigen die anhängigen Verfahren die Abschlüsse bei weitem: Aktuell verzeichne das BVwG (durch den Rückstandsabbau des Bundesamts für Asylwesen) 38.000 offene Verfahren, für heuer seien weitere 40.000 bis 42.000 zu erwarten - weit mehr als die 29.200 Verfahren, die das BVwG 2017 abschließen konnte.

Um trotzdem einen "effektiven Verfahrensablauf zu ermöglichen" - Ziel von Kickls Paket sind ja eigentlich schnellere Verfahren -, müsste der Personalstand des Gerichts "jedenfalls ausgebaut werden": Ein Anstieg um 1000 Verfahren entspreche der Arbeitsleistung von sieben Gerichtsabteilungen. Im Bundesfinanzrahmen sei das nicht vorgesehen. Und dazu kämen noch Verfahrenskosten: Dolmetscher, Zeugen- und Beteiligtengebühren sowie Rechtsberater kosten pro Asylverfahren am BVwG durchschnittlich 454 Euro. Das macht 454.000 Euro für 1.000 Beschwerdeverfahren, rechnet Perl vor.

Rechtsanwälte: Geplante Beschleunigung "unrealistisch"

Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag befürchtet, dass die - im Entwurf als Ziel genannte - Beschleunigung der Verfahren "unrealistisch ist, insbesondere da den zuständigen Behörden über weite Strecken zusätzliche Aufgaben überantwortet werden".

Der Städtebund macht sich ebenfalls Sorgen über einen "weiteren nicht vorherzusehenden Anstieg von Anträgen und damit verbundenen Arbeitsaufwand" - der "ohne zusätzliche Personalressourcen kaum zu bewältigen sein wird". Die Stadt Wien hat ausgerechnet, was Eintreibung, Verwaltung und Verrechnung des geplanten Grundversorgungsbeitrags der Asylwerber kosten würde: 2,057.386 Euro Mehrkosten bei 15.000 Antragstellern. Um diese abzudecken, müsste jeder Asylwerber 257 Euro (120 müssen jedem belassen werden) bei sich haben. Viele führen jedoch wenig bis kein Geld mit sich, merkten auch Grüne Landesräte und die Agenda Asyl an - weshalb diese Maßnahme weit mehr Kosten verursachen werde als abgedeckt werden könne. Ein Beitrag zur Grundversorgung sei damit nicht zu erwarten.

Das Land Salzburg hat in der Begutachtung noch eine weitere finanzielle Frage aufgeworfen - nämlich ob der Grundversorgungs-Beitrag (der ganz beim Bund verbleiben soll) nicht eine Kostenverschiebung bewirkt, "hinsichtlich derer den Ländern voller Kostenersatz zu leisten ist". Denn Salzburg fürchtet, dass der Aufwand der Länder für die Grundversorgung steigt - wenn der Bund nur mehr den Kostenbeitrag kassiert, die Asylwerber aber nicht mehr auf Hilfsbedürftigkeit überprüft.

Fall für die Datenschutzbehörde?

Die Fremdenrechtsnovelle dürfte zudem ein Fall für das - mit der am 25. Mai in Kraft tretenden EU-Datenschutzgrundverordnung - neue Datenschutzrecht werden. Die Datenschutzbehörde stellt die Frage in den Raum, ob eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchgeführt werden muss. Denn bei der Auswertung der Handys könnten Daten gefunden werden, die "wesentliche Auswirkungen auf die Lebensführung der betroffenen Person haben" - wenn sich nämlich (was das Innenministerium als Zweck nennt) herausstellt, dass der Asylwerber in einen anderen Dublin-zuständigen Staat rückgeführt werden kann.

Insgesamt seien in dem Entwurf "datenschutzrechtliche Aspekte (Löschung, Datenminimierung, etc.) im Gesetzesentwurf vielfach ignoriert und teils missachtet" worden, obwohl die EU-Verordnung demnächst in Kraft tritt. Besonders bedenklich sei die Informationspflicht für Ärzte, wenn abzuschiebende Ausländer aus dem Krankenhaus entlassen werden, kritisiert auch die Rechtsanwaltskammer, die diesbezüglich die Bedenken der Ärztekammer gegen eine Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterstützt.

(APA)

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