Wieder einmal: Leben auf dem Mars?

Symbolbild Mars.
Symbolbild Mars. (c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Chemie. Der Nasa-Rover „Curiosity“ hat im Boden und in der Atmosphäre organische Moleküle detektiert, aber die PR-Maschine der Nasa hält sich auffällig zurück: Die Moleküle können auch geogen sein.

Als der Astronom Giovanni Schiaparelli 1872 auf dem Mars ein Netz feiner Linien sichtete, nannte er sie „canali“, Rillen. Im Englischen wurden „channels“ daraus, und die musste jemand gegraben haben. So sah und popularisierte es der US-Hobby-Astronom Percival Lowell, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts einflussreiche Bücher darüber schrieb, etwa „Mars as the Abode of Life“, „Abode“ heißt Aufenthaltsstätte.

Dass von dort Bedrohliches kommen könnte, war schon in einem anderen Buch ausgemalt worden: H. G. Wells hatte 1898 in „The War of the Worlds“ eine Invasion der Erde durch Marsbewohner imaginiert, Orson Welles inszenierte das 1938 in einem Hörspiel in den USA so realistisch, dass eine Massenpanik ausbrach. Abgelöst wurde sie später von der routinierten Hysterie, mit der die Nasa hinter Leben auf dem Mars her ist.

Leben in der uns bekannten Form kann es dort schwer geben, die Bedingungen sind extrem: Die Temperatur schwankt zwischen minus 130 und plus 27 Grad, die Atmosphäre ist so dünn, dass der Luftdruck nur ein Prozent des irdischen beträgt, ein Magnetfeld gibt es nicht, lebensfeindliche Strahlung aus dem All dringt ungeschwächt zum Boden.

Aber vielleicht kann sich im Boden etwas halten, oder vielleicht hat der Mars bessere Zeiten gesehen? Die Hoffnungen schienen am Ende, als 1976 zwei Raumsonden – Viking I und II – dort landeten und nach Leben Ausschau hielten oder zumindest nach Spuren von ihm, organischen Molekülen. Gefunden wurde nichts, die Suche verlegte sich auf eine der Bedingungen des uns bekannten Lebens, Wasser in flüssiger Form. Man sichtete auch Oberflächenstrukturen, die an Flussufer oder Meeresküsten erinnerten, sie sind aber vermutlich anders entstanden, etwa durch flüssiges Kohlendioxid.

Mit der Jahreszeit schwankt das Methan

Also wandte man sich einer Substanz zu, die auf der Erde von manchen Bakterien produziert wird: Methan (CH4). Seit 2004 fand sich immer wieder etwas davon, aber es verschwand auch immer wieder. Jetzt ist es wieder da: Drei Marsjahre – 55 Erdmonate – hat der Rover „Curiosity“ das Auf und Ab der Konzentrationen in der Luft gemessen: Die Gehalte steigen im Sommer (Science 7. 6.). Die Forscher vermuten, dass das CH4 durch die Wärme freigesetzt wird, aus Klathraten – Gaseinschlüssen in Eis – im Boden. Wie es hineinkam, weiß man nicht, es kann nicht nur biogen entstehen, sondern auch geogen.

Und im Marsboden, in drei Milliarden Jahre altem Gestein, hat Curiosity auch gesichtet, was Viking I und II nicht gefunden haben, organische Moleküle, Thiophen etwa, ein Heteroaromat (C4H4S), und Dimethylsulfid (C2H6S). Auch deren Herkunft lassen die Forscher offen, unter „verschiedene Quellen“ könnte Leben sein, aber auch Vulkane, oder: Meteoriten. Vielleicht hält sich deshalb die Nasa-PR-Maschine auffällig zurück.

Oder könnte Leben gar von der Erde gekommen sein? So eine Invasion ist wahrscheinlicher als eine in Gegenrichtung: Curiosity steht lange schon unter dem Verdacht, irdische Bakterien mitgebracht zu haben. Zwar werden Raumsonden vor dem Start nach Kräften sterilisiert, aber manche Bakterien halten viel aus, berüchtigt ist Acinetobacter, der extremer Trockenheit widersteht, starker Strahlung und Wasserstoffperoxid – und der schon in einer Marssonde gefunden worden ist, nachdem diese im Reinraum der Nasa mit vielen Mitteln geputzt worden war, mit Alkoholen (Ethanol, 2-Propanol) etwa und dem Bleichmittel Kleenol 30. Das kann er so umbauen, dass es für ihn unschädlich wird, und Ethanol kann er gar als Nahrung erschließen, Rakesh Mogul (California State Polytechnic University) hat es gezeigt (Astrobiology 19. 4.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2018)

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