„Die Technologie hat nichts von ihrer Bedeutung verloren“

Materialforschung. Röntgenstrahlen liefern nicht nur bei Knochenbrüchen wichtige Befunde. Im Röntgenzentrum der TU Wien nutzen Forscher die Lichtwellen für die Analyse völlig unterschiedlicher Materialien: von Batterien über Klärschlamm bis hin zu kunsthistorisch wertvollen Funden.

Der Versuch ist fertig. Die Mineralogin Klaudia Hradil holt eine Probe mit Silberpulver, die währenddessen mit Essigsäure besprüht wurde, aus dem Röntgendiffraktometer. Die Forscherin nutzt die Beugungsphänomene des Röntgenlichts in dessen Inneren, um zu prüfen, wie sich das Material verändert. Denn die für die biblischen Texte der Wiener Genesis verwendete Silbertinte begann bereits im 17. Jahrhundert, sich durch das purpurfarbene Pergament zu fressen – die „Presse“ berichtete. „Essigsäure bildete sich etwa, wenn Dokumente in mit Holzschutzmittel behandelten Schubladen gelagert wurden“, erklärt Hradil. Was sie nun in Experimenten herausfindet, soll Restauratoren wichtige Hinweise für die Bewahrung des Kulturschatzes liefern.

Das ist nur ein Beispiel für eine Materialanalyse, wie sie die Wissenschaftler am Röntgenzentrum der TU Wien am Getreidemarkt mehrmals täglich durchführen. Einen Raum weiter wird gerade Klärschlamm analysiert. Als nächstes ist ein Experiment für die Wolkenforschung geplant. In wieder anderen Versuchen beobachtet man, wie sich Torsionsfedern für den Automobilbau unter Spannung verhalten oder was beim Laden und Entladen von Batterien im Material passiert. Man wisse bis heute nicht genau, was an der Zwischenschicht von Festkörper und Flüssigkeit passiert, so Hradil. Je mehr man forsche, desto mehr Fragen stellten sich, erzählt die geborene Deutsche. Und selbst wenn man eine beantworten könne, produziere man dabei mitunter drei neue, scherzt sie. Die vor acht Jahren gegründete Einrichtung stellt mit ihrer Ausstattung jedenfalls Instrumente für völlig unterschiedliche Fragestellungen von TU-Instituten zur Verfügung. „Die Geräte sind sehr teuer, daher bieten wir sie hier für alle Fachbereiche zentral an“, erläutert Hradil. Das Modell hatte bereits Vorbildwirkung: Die deutsche Helmholtz-Gesellschaft hat die Idee, Infrastruktur effizienter zu nutzen, ebenfalls aufgegriffen. Zusätzlich zu ihren Serviceleistungen verfolgen die drei fix angestellten Forscher – neben Leiterin Hradil ein Chemiker und ein Physiker – auch eigene Forschungsprojekte.

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