Griechenland: Und täglich grüßt das Schmiergeldkuvert

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Griechenland(c) EPA (Nikitas Kotsiaris)
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Eine kurze Geschichte über die Alltäglichkeit von Korruption, Bestechlichkeit und Raub am Volksvermögen in der Wiege der Demokratie. 2009 haben griechische Privathaushalte über 780 Millionen Euro für Bestechung aus.

Athen. Griechenlands Premier Giorgos Papandreou will mit der Korruption einen der Gründe für die riesige Finanzkrise des Landes bekämpfen. Laut der Organisation „Transparency International“ gaben 2009 allein griechische Privathaushalte über 780 Millionen Euro (pro Haushalt ca. 1350 Euro) für Bestechung aus. Die meisten Griechen können Geschichten davon erzählen.

Ob Steuerberater, die Finanzer schmieren, dass sie von Buchprüfungen bei ihren Mandanten absehen; Architekten, die bei „Ansprechpartnern“ in den Bauämtern gegen Bares Baurechtsverletzungen „legalisieren“; Ärzte, die für das „fakelaki“, das „Umschläglein“ mit Banknoten, rasch einen OP-Termin ansetzen – in jedem Bekanntenkreis werden sie herumgereicht, wenn jemand jemanden braucht, um etwas zu „regeln“.

„Das läuft alles ganz offen“

Geht es etwa darum, Aufträge zu bekommen, „läuft das ganz offen, da musst du keine Hemmungen haben“, sagt Adonis M. Der Elektriker erzählt, wie er Aufträge einer Gemeinde in Attika bekam – über „Kontaktpersonen“. „Mit denen vereinbarst du dein Honorar, aber im offiziellen Kostenvoranschlag lässt du den Kostenpunkt frei. Den füllt die Kontaktperson aus, meist berechnet sie das Doppelte von dem, was du nimmst.“ Dafür, dass er schweigt, kriegt der Handwerker natürlich auch mehr als er kalkuliert hat.

Über solch gängige Fälle hinaus kann manchmal richtig viel Geld fließen. Etwa, als Adonis von seiner Kontaktperson in eine Schule gerufen wurde, um einen Kostenvoranschlag für Internetanschlüsse zu erstellen. Dort fand er aber schon alles vor: „Steckdosen, Anschlüsse, alles bis ins letzte Detail. Ich wusste nicht, ob das eine Falle war, aber meine Kontaktperson beruhigte mich und bestand darauf, dass ich 15.000 Euro für einen Auftrag in Rechnung stellen sollte, den der Staat ganz klar zweimal bezahlt hat.“ Auch in kleinen Größenordnungen gehört Schmiergeld zum Alltag, so bei der Fahrprüfung. TassosG. hatte eine Fahrschule in Athen. „Wenn ein Schüler zum ersten Mal kam, erkundigte er sich, meist vorsichtig, nach dem ,Tarif‘ für das zweiköpfige Prüfungskomitee.“ Der liegt zwischen 250 und 300Euro, sagt Tassos. Von den Prüfern seien ca. 80Prozent dafür empfänglich, und die seien den Fahrlehrern bekannt. „Fließt kein Geld, lassen sie Schüler auch nach fehlerfreiem Fahren durchfallen, drücken aber bei Wackelkandidaten gegen Bezahlung vier Augen zu.“

Ein paar Scheinchen für den Arzt

Der sensibelste Bereich: das Gesundheitswesen. Jorgos A. kann davon ein Lied singen. Der Epileptiker bekam beim Kochen einen Anfall und erlitt Verbrennungen dritten Grades an der linken Hand. Statt gleich operiert zu werden, wurde er im Unfallkrankenhaus drei Wochen hingehalten und vom behandelnden Arzt mehrfach aufgefordert, in dessen Privatklinik die dringend nötige Hauttransplantation machen zu lassen. Vermutlich wäre er gegen ein „fakelaki“ auch im öffentlichen Spital operiert worden, sagt er. „Ich habe das natürlich erkannt, aber ich wollte da nicht mitmachen.“ Jorgos ließ sich dann in Deutschland operieren, wo er aufwuchs. Aber natürlich gibt es auch die „anderen“, die Krankenhausärzte, die sich trotz ihres dürftigen Gehalts von anfangs 1200 Euro aufopfernd und ehrlich um Patienten kümmern.

Der schlechte Beamtensold mag mitverantwortlich sein für die Korruptionsanfälligkeit. Für große Korruptionsskandale aber ist Geldmangel keine Erklärung. Da nahmen etwa Politiker aller Parteien über Jahre vom Siemens-Konzern Millionen für die Erteilung von Aufträgen; wer wie viel, das will derzeit ein U-Ausschuss klären. Eine Immobilienschieberei um klösterlichen Besitz der abgewählten Konservativen unter Kostas Karamanlis soll jedenfalls einen Abt der nordgriechischen Mönchsrepublik Athos, aber auch Karamanlis-Kumpels reich gemacht haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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