Heinz Jungwirth: "Ich bin ein toter Mann"

Heinz Jungwirth
Heinz JungwirthHans Klaus Techt
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Der ehemalige ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth bricht im Interview für die "Presse am Sonntag" sein Schweigen und erklärt, wie der Deal mit Walter Mayer wirklich gelaufen ist.

Das Österreichische Olympische Comité kommt nicht zur Ruhe, immer wieder wird der Verein von der Vergangenheit eingeholt. Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt, Konten wurden geöffnet, die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.

Die Presse: 0Begonnen hat die ganze ÖOC-Misere in Salt Lake City 2002 mit der Blutbeutelaffäre. Warum wurde das Problem verharmlost?


Jungwirth: Über Doping hat man doch damals nicht gesprochen, hat auch niemanden sonderlich interessiert. Das Problem wurde in Österreich nicht ernst genommen. Was hätte das ÖOC denn machen sollen? Wir sind nur der Transporteur der besten Athleten, das ÖOC setzt fördernde Maßnahmen. Da ändert sich nichts, auch wenn ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel behauptet, schwarze Schafe gehören nicht zu mir. Sondern für den Zeitraum der Spiele gehören sie dem ÖOC.

Wurde Walter Mayer nun vom ÖOC offiziell eingekleidet, obwohl er für Turin 2006 gesperrt war?

Natürlich nicht. Er ist nie auf einer Einkleidungsliste gestanden, das kann ich belegen. Ich habe aus den Medien erfahren, dass er trotzdem nach Turin will. Ich kann aber einen freien Bürger nicht aus dem Österreich-Haus rausschmeißen. Mit Elmar Oberhauser hat er Wein getrunken – mir wurde vorgeworfen, dass ich einmal nachgeschenkt habe. Für das Ö-Haus braucht man keine Akkreditierung. Ebenso wenig für ein Außenquartier, wie es die Langläufer und Biathleten hatten. Außenquartiere stehen nie unter der Hoheit des ÖOC. Weil sie nicht zu kontrollieren sind. Und dann kam die Razzia . . .

Hat Walter Mayer Schweigegeld bekommen?

Walter Mayer hat IOC-Präsident Rogge und Wada-Chef Pound geklagt, für Salzburgs Olympiabewerbung 2014 nicht gerade förderlich. Leo Wallner, Elmar Oberhauser, Liese Prokop, der damalige Verteidigungsminister Günther Platter, Heinz Schaden und Geschäftsführer Radmann waren der Meinung, man müsse dieses Problem dringend aus der Welt schaffen und irgendwie lösen. Aber wie? Mit Geld, weil Elmar Oberhauser von Mayers finanziellen Problemen erzählt hat. Die Lösung des Problems wurde angeordnet. Erwin Roth hat die Sache dann in die Hand genommen und abgewickelt, einen Vertrag über Abtretung von Persönlichkeitsrechten ausverhandelt.

Und wer hat die ganze Sache bezahlt?

Erwin Roth, der von uns noch Geld zu bekommen hatte. Das ÖOC hatte Außenstände bei ihm in der Höhe von 500.000 Euro. In der Sache Walter Mayer sollten 100.000 Euro von den Casinos kommen, das hat Karl Stoss Leo Wallner zugesagt. Heute will sich niemand mehr daran erinnern, das Geld ist meines Wissens nie geflossen.

Die 290.000 Euro für Walter Mayer haben mit Salzburger Olympiafinanzen nichts zu tun?

Nein. Salzburgs Olympiabewerbung für 2014 war gut. Fünf Stimmen haben gefehlt und wir hätten das goldene Ehrenzeichen bekommen. Aber heute? Jetzt erinnert sich niemand mehr an Abmachungen. In Interviews muss ich hören oder lesen, dass plötzlich niemand etwas gewusst hat.

Sie haben sich nichts vorzuwerfen?

Ich habe immer für die Sache gearbeitet. Peter Schröcksnadel hat einen persönlichen Hass gegen mich entwickelt. Das ging dann so weit, dass mir ein Journalist von einem Privatdetektiv erzählt hat. Ich habe das nie bemerkt, dass man mir nachspioniert, aber dann habe ich die Fotos zu Gesicht bekommen. Hier wurden ÖOC-Vorstandsmitglieder eingespannt, um Material gegen mich zu suchen und zu sammeln. Gefunden haben sie dann die Handy-Abrechnungen. Schröcksnadel, der immer gegen eine Salzburger Olympiabewerbung war und Innsbruck favorisierte, hat seinen Rachefeldzug einmal beim Verlassen einer Sitzung mit den Worten angekündigt: „Den Jungwirth und den Wallner, die bringe ich um.“

Sind Sie jetzt ruiniert?

Ich bin nicht nur ruiniert, ich bin tot. Als ich vor einem Jahr gesagt habe, ich scheide aus dem ÖOC aus, da wurde mir von vielen Seiten versprochen, wie man mir nicht helfen will. Ich war offenbar der Reibebaum, daher habe ich meinen Sessel geräumt. Vor allem Bundesminister Norbert Darabos hat Stimmung gegen mich gemacht. Alle haben so getan, als ob ich die Biathleten gesperrt hätte.

Wir alle wollten nur die neuerliche Kandidatur von Leo Wallner retten, darum bin ich gegangen. Aber von den Versprechungen ist nichts übrig geblieben. Ich habe mich für einen ausgeschriebenen Job in Innsbruck beworben – nichts. Ich hätte beim Europäischen Olympischen Komitee arbeiten sollen – nichts. Und auch beim IOC wurde ich abgewiesen. Mich haben alle gelegt. Wer da früher aller unter der Türmatte angekrochen kam – heute grüßt dich kein Mensch mehr und jeder tut so, als ob er dich nicht kennen würde. Jetzt weiß ich, wie die Menschen wirklich sind. Auf einmal hat man dann keine Freunde mehr. Aber ich habe mich immer gestellt.

Haben Sie vom ÖOC eine Art Schweigegeld bekommen?

So ein Blödsinn. Im Vertrag steht lediglich drinnen, dass ich über meine Arbeit beim ÖOC Stillschweigen zu bewahren habe. Ich habe mein mir gesetzlich zustehendes Geld bekommen, 40.000 Euro sind noch offen, die werden im September fällig. Warum diese Zahlungen gestaffelt wurden, das weiß ich nicht.

Hat es beim ÖOC eine schwarze Kassa gegeben?

Das war ein Verrechnungskonto. Ja, wenn man so will, dann hat es das gegeben. Das war leider so.

Zur Person

Heinz Jungwirth wurde am 23. Juli 1951 geboren. Familienstand: verheiratet, 2 Kinder. Jungwirth war Lehrer für Leibeserziehung und Geschichte am Gymnasium Astgasse Wien. ÖOC-Generalsekretär von 22. November 1982 bis 28. Februar 2009.

Ermittlungen

Nach Unregelmäßigkeiten in der ÖOC-Buchhaltung wurde Heinz Jungwirth angezeigt, die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt. Leo Wallners Nachfolger Karl Stoss hat eine unabhängige Untersuchungs-Kommission eingesetzt. Gestolpert ist man vorerst einmal über eine schwarze Kassa. Auch in Bezug auf die gescheiterte Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2014 in Salzburg (verschiedene Finanzkreise) sind noch viele Fragen nicht beantwortet. Die Fortsetzung der ÖOC-Krise lesen Sie in der Montag-Ausgabe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 7.3.2010)

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