BVT: Umstrittene Akten geliefert

Die Frist zur Aktenlieferung für den U-Ausschuss ist vorige Woche abgelaufen.
Die Frist zur Aktenlieferung für den U-Ausschuss ist vorige Woche abgelaufen.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Akten ans Parlament sind geliefert, die Opposition übt Kritik. Indes sind Aktenvermerke aufgetaucht, die massiven Druck aus dem Kabinett auf die Justiz andeuten.

Wien. Die Vorbereitungen für den BVT-U-Ausschuss laufen: Das Innenministerium hat „sämtliche, zu Beweisthemen des BVT-U-Ausschusses verfügbaren Unterlagen“ an das Parlament übermittelt. Die Aktenlieferung sei fristgerecht bis 19. Juni erfolgt, gab das Ressort am Sonntag bekannt. Mit Ausnahme eines einzigen Aktenstücks, in dem der Name eines unbeteiligten Dritten unkenntlich gemacht wurde, gebe es keinerlei Schwärzungen. Ein Aktenordner wurde als „geheim“ (148 Seiten), ein weiterer als „streng geheim“ (214 Seiten) eingestuft.

Die Opposition dürfte damit unzufrieden sein, und zwar so sehr, dass für Montag eine gemeinsame Pressekonferenz einberufen wurde, in der SPÖ, Neos und Liste Pilz Kritik an der Aktenlieferung üben und Gegenmaßnahmen präsentieren wollen. Dabei gehe es auch, aber nicht nur um Akten aus dem Innenministerium, sondern generell um die Aktenlieferung. Kritisch seien etwa die Einstufungen: Die Geheimhaltungsstufen seien teilweise zu hoch angesetzt, hieß es dazu am Sonntag aus der SPÖ.

Die Frist zur Aktenlieferung für den U-Ausschuss ist vorige Woche abgelaufen. Von den 32 zur Aktenlieferung aufgeforderten Stellen hätten nur 13 Unterlagen übermittelt, das Material umfasst 68.000 Seiten, hieß es von der Parlamentskorrespondenz.

Bericht: Justiz beklagte massiven Druck

Viel ist das nicht. Zum Vergleich: Beim Hypo-U-Ausschuss waren es 16 Millionen Seiten, beim Eurofighter-Ausschuss zuletzt 1,6 Millionen. Laut Beweisbeschluss vom 20. April 2018 waren innerhalb von vier Wochen Unterlagen abzuliefern. Bei schwieriger Aktenlage oder hohen Geheimhaltungsstufen ist eine Acht-Wochen-Frist vorgesehen.

Die Akten können von U-Ausschuss-Mitgliedern sowie deren Mitarbeitern in einem gesicherten Raum eingesehen werden. Zuvor sind Bedenken laut geworden, die Akten aus dem BVT könnten, so sie in falsche Hände geraten oder publik werden, für einzelne darin Genannte ein Sicherheitsrisiko bergen.

Rund um die Vorgänge in BMI und BVT, die letztlich zum U-Ausschuss geführt haben, sind am Wochenende weitere Details bekannt geworden: Laut einem Bericht des „Kurier“ soll sich die Justiz schon vor der Hausdurchsuchung im BVT am 28. Februar über massiven Druck aus dem Kabinett von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) beklagt haben. In internen Aktenvermerken, in die der „Kurier“ Einsicht nehmen konnte, beklagte sich die Oberstaatsanwältin über „den von Dr. Lett aufgebauten Zeitdruck“.

In diesen Vermerken zeige sich, dass offenbar massiver Druck von Generalsekretär Peter Goldgruber und Kabinettsmitarbeiter Udo Lett auf die Justiz ausgeübt worden sei. Lett habe demnach sogar finanzielle Unterstützung des Innenministers für die Ermittlungen der Justiz angeboten. In diesen Aktenvermerken werde laut „Kurier“ auch beklagt, dass „die physische Bewachung des Serverstandorts (...) bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht gewährleistet“ sei. Die Oberstaatsanwältin habe also selbst Sicherheitsbedenken, wie die hoch brisanten, sichergestellten Dateien geschützt sind. In den Vermerken sei laut dem Bericht auch die Rede davon, dass BVT-Männer festgenommen hätten werden sollen. Lett habe der Justiz angekündigt, dass dabei „mit Kamerateams“ zu rechnen sei.

Und auch weitere Aktenvermerke in der Causa haben am Wochenende für Aufsehen gesorgt: Generalsekretär Goldgruber soll (vor den Hausdurchsuchungen) gegenüber der WKStA erklärt haben, er habe von Kickl den „Auftrag“ erhalten, „das BMI aufzuräumen“, berichtet das „Profil“. Das gehe aus einem Aktenvermerk von Staatsanwältin Ursula Schmudermayer hervor.

Im Innenressort wollte man sich dazu nicht näher äußern und sprach von „vermeintlichen Auszügen vermeintlicher Aktennotizen“. Während man im Kabinett Kickl also abwiegelt, gehen politisch die Wogen hoch: Die SPÖ hat am Sonntag erneut den Rücktritt des Innenministers gefordert. Kickl habe „von Beginn an die Unwahrheit gesagt“, meinte SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer. In der Nationalratssondersitzung vor zwei Wochen habe Kickl „jede Einflussnahme abgestritten“, so der SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss. (red.)

AUF EINEN BLICK

Das Innenministerium hat die Akten für den BVT-U-Ausschuss geliefert – und zwar sämtliche, die es zu den Themen gibt, und bis auf eine Ausnahme nicht geschwärzt, so die Eigendarstellung. Die Opposition sieht das anders, kritisiert die Aktenlieferung und hat für Montag dazu eine Pressekonferenz einberufen. Die SPÖ hat am Sonntag aus anderem Grund den Rücktritt Kickls gefordert: Weil dieser Generalsekretär Goldgruber das „Aufräumen im BVT“ aufgetragen haben soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2018)

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