Neigen im Sommer Gezeugte zu Fettleibigkeit?

Symbolbild: Baby
Symbolbild: Baby(c) Clemens Fabry (Presse)
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Hohe Temperaturen verändern das Epigenom von Sperma so, dass damit Ausgestattete weniger von dem Fett haben, das Energie nicht speichert, sondern verbrennt. Das ist zumindest bei Mäusen so, und bei Menschen gibt es den begründeten Verdacht.

Was wir von unseren Eltern ererbt haben, ist nicht nur das, was in ihren Genen angelegt war, sondern auch das, was sie in ihrem Leben mitgemacht haben und was epigenetisch die Aktivitäten der Gene beeinflusst: Hunger der Mütter während der Schwangerschaft etwa schlägt durch, Stress tut es auch, und bei den Vätern hängt vermutlich viel sogar davon ab, zu welcher Jahreszeit sie uns gezeugt haben: War es in der warmen, haben wir wohl ein höheres Risiko, zu den 39 Prozent aller Erwachsenen zu gehören, die weltweit an Übergewicht leiden, oder gar zu den 13 Prozent, die fettleibig sind.

Darauf deuten zumindest schlankere Linien in kühleren Regionen der Erde, darauf deuten auch 8400 Patienten, bei denen Ärzte der ETH Zürich um Christian Wolfrum mit Computertomografen das braune Fett – brown adipose tissue (BAT) – bilanziert haben: Anders als das weiße – white adipose tissue (WAT) – speichert das keine Energie, im Gegenteil, es verschleudert sie, setzt sie bzw. Fett durch einen Kurzschluss im Stoffwechsel in Abwärme um. Damit halten Babys sich warm, später übernehmen die Muskeln diese Funktion, lange dachte man, dass wir als Erwachsene kein BAT mehr haben.

Aber wir haben es, in geringem Maß und versteckt, etwa im Nacken, deshalb die Computertomografie: Sie zeigte, dass zwischen Juli und November geborene – also im Winter gezeugte – Menschen mehr BAT haben und damit besser gegen Verfettung gewappnet sind. Wie das zugeht, hat Wolfrum an Mäusen erkundet, die er vor der Zeugung einige Zeit entweder bei moderaten 23 oder frischen acht Grad Celsius hielt. Bei den Weibchen bzw. Eizellen machte das keinen Unterschied, aber bei den Männchen veränderte sich durch die Kälte das Epigenom des Spermas, es sorgte dafür, dass die Jungen mehr BAT hatten und auch bei fettreicher Kost schlank blieben (Nature Medicine 9. 7.). Ob das bei Menschen auch so ist, will Wolfrum im nächsten Schritt klären, er hegt allerdings jetzt schon den Verdacht, dass die „Epidemie der Fettsucht“ (Weltgesundheitsorganisation WHO) mit zu stark geheizten Wohnungen zusammenhängt.

Mütter vererben Stress auf zwei Wegen

Wie auch immer. Dieses Erbe kommt nur von Männchen, ein anderes haben nur sie zu tragen, zumindest wieder bei Mäusen: Wenn deren Mütter während der Trächtigkeit unter Stress leiden, schlägt das auf die Jungen durch – nur auf die männlichen –, sie gedeihen schlechter und haben ihr Leben lang mehr Stresshormone im Körper. Aber wo und wie kommt das? Es kann entweder schon im Uterus geschehen oder später, im Moment der Geburt: In dem kommen Säugetiere erstmals mit Bakterien in Berührung, auch mit denen, die sich als Mikrobiom in ihren Gedärmen ansiedeln und starken Einfluss auf das körperliche und geistige Wohlergehen nehmen.

Zum Klären hat Tracy Bale (University of Pennsylvania) männliche Mäuse mit Kaiserschnitt zur Welt gebracht – ohne Berührung mit den Bakterien im Geburtskanal – und sie dann mit Bakterien versehen, die sie dem vaginalen Mikrobiom von Mäusen entnommen hatten, die entweder unter Stress litten oder nicht: Taten sie es, zeigten die Jungen die gleichen Symptome wie die, die Stress im Uterus erlitten (Nature Neuroscience 9. 7.).

Der kommt also auf zweierlei Wegen, beheben lässt er sich allerdings auf einem naheliegenden nicht: Von Stress freies vaginales Mikrobiom brachte die Folgen durch Stress im Uterus nicht aus der Welt. „Die Befunde sind sehr beeindruckend“, schließt Bale, „es ist definitiv der Mühe wert, bei Menschen nachzusehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2018)

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